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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0082
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68

BESPRECHUNGEN.

hält. Auch teilen wir seinen Zweifel am letzten Sinn der vor allem von Walzel1)
angeregten, heute so beliebten Übertragung von Stilbeobachtungen der Kunst-
wissenschaft auf die Literaturwissenschaft, Zweifel, die neuerdings auch Fritz
Medicus sehr überzeugend begründet hat2). Zutreffende Gegenstandsbestimmung
von Philologie und Literaturwissenschaft muß fußen auf Stilanalyse, auf Analyse
des sprachlichen Ausdrucks, um danach die einzelnen Disziplinen und ihre Ge-
genstände zu umschreiben. Sch.-J. nennt deren folgende: Phonetik, Grammatik,
Lehre von den sprachlichen Expressivformen, Stilistik, Technik und Sprachpsycho-
logie. Doch diese Aufstellungen des Verfassers wirken nicht so überzeugend wie
die Mehrzahl seiner Einzelbeobachtungen. So tut man auch in diesem letzten Ab-
schnitt gut, sich an Einzelbeobachtungen zu halten. Ich will nur noch eine mit
Beispielen treffend belegte Stilfrage berühren, nämlich den Sprachunterschied ver-
schiedener Menschengruppen, vornehmlich von Wissenschaftlern und Dichtern,
gegenüber demselben Stoff. „Dem Wissenschaftler kommt es immer darauf an,
den Gegenstand zu klären und signifikativ aus logischer Einstellung heraus für
logische Einstellung darzustellen; der Dichter geht darauf aus, den Gegenstand
zu erfassen und aus kontemplativer Einstellung heraus für kontemplative Ein-
stellung darzustellen." Sehr lehrreich von dieser Seite ist also Vergleichung von
wissenschaftlichem und dichterischem Stil; das einzelne Wort nimmt hier und
dort ein ganz verschiedenes Wesen an, es bedeutet geradezu etwas anderes hier
und dort. Fein und einleuchtend sind die Folgerungen, die Sch.-J. aus dieser
Erkenntnis zieht für die Beurteilung der Hauptstellen von Lessings „Laokoon",
deren mangelnde Überzeugungskraft in hohem Maße auf der Vernachlässigung
solcher Unterscheidungen beruht.

Doch genug der Einzelheiten! Wie schon betont, liegt der Wert von Sch.-J.s
Schrift vornehmlich in einer großen Zahl vorzüglicher, und fast stets auch, wie
die zahlreich von mir beigebrachten Anführungen bezeugen, sehr treffend aus-
gedrückter Einzelbeobachtungen und Einzeldarlegungen aus dem Bereich stilisti-
scher Fragen. Schade, daß man diese wertvollen Einzelheiten sich mitunter recht
mühsam suchen muß in einer mannigfach überlasteten, Abschweifungen nicht
immer vermeidenden Gesamtdarstellung, die als ganze nicht des gleichen Beifalls
sicher ist wie jene Einzelheiten. Wer aber die Mühe solchen Suchens nicht scheut
und einigen Ballast mit in Kauf nimmt, der wird doch mannigfach angeregt und
befriedigt werden.

Greifswald. Kurt Gassen.

Günther Stern: Über das Haben. Sieben Kapitel zur Ontologie der Er-
kenntnis. Friedrich Cohen, Bonn, 1928. 190 S.

Die Bedeutung der Phänomenologie bestand für Erkenntnislehre und Logik
zuerst wesentlich darin, daß die intentional erfaßten Bedeutungen dem Psychologi-
schen als ein ideales Sein enthoben wurden. Dann richtete sich die Aufmerksam-
keit den sinnkonstituierenden Akten selbst zu. In vielfach glänzenden Einzelunter-
suchungen zeigte Scheler, wie das Emotionale, das bisher der Psychologie gehört
hatte, ohne von ihr bewältigt worden zu sein, an der Konstituierung der Gegen-
standswelt teilhat. Aber die prinzipielle Deutung dieser Sachverhalte blieb im Rah-

1) Walzel, Oskar, Wechselseitige Erhellung der Künste. Berlin: Reuther
& Reichard, 1917. (Philosophische Vorträge der Kant-Gesellschaft. 15.)

2) Medicus, Fritz, Das Problem einer vergleichenden Geschichte der Künste.
In: „Philosophie der Literaturwissenschaft". Hrsg. von Emil Ermatinger. Berlin:
Junker u. Dünnhaupt, 1930.
 
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