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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Luther, Friedrich: Ästhetische Werte des Films
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Koch, Josef: Zur Ästhetik des Thomas von Aquin
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0282
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268

BEMERKUNGEN.

zeigen, daß Thomas diese Elemente des Schönheitsbegriffs keineswegs auf das Kör-
perliche beschränkt, sondern analog auf das Geistige, ja auf Gott selbst überträgt.

In demselben Artikel (ad 4) entwickelt er auch schon den Gedanken, daß das
Schöne nur insofern erstrebbar ist, als es zugleich etwas Gutes ist; an und für sich
ist es Gegenstand eines interesselosen Wohlgefallens. Diesen Ausdruck gebraucht
Thomas nicht, er gibt aber seinen Gedanken richtig wieder. Man müßte in diesem
Zusammenhang vor allem IV Sent. d. 49 q. 3 a. 5 analysieren, wo Thomas ganz
ausführlich den Begriff der delectatio erörtert. Das würde hier aber zu weit führen.

Jedenfalls bietet der Sentenzenkommentar die Grundelemente der thomistischen
Ästhetik sowohl nach der ontologischen wie nach der psychologischen Seite. Eine
besondere Gelegenheit, die Theorie auszubauen, bot die Abfassung des Kommen-
tar s zu des Pseudo-Dionysius Schrift Dedivinis nominibus, insbesondere
zu dem berühmten Kap. 4. Dyroff geht mit liebevoller Sorgfalt den Gedankengängen
dieses Kapitels und den Erläuterungen, die Thomas dazu gegeben hat, nach. Ich
bedaure, daß er statt der Parmenser Ausgabe nicht die neueste von P. Man-
donnet besorgte Ausgabe (S. Thomae Aqu. Opuscula omnia II, Paris 1927) be-
nutzt hat; in ihr sind viele Fehler verbessert (z. B. iterum statt des von D. S. 169
angegebenen litura), wenngleich die Edition noch nicht kritisch ist. Außerdem ver-
misse ich die Verwertung des Aufsatzes von A. Feder, Des Aquinaten Kommen-
tar zu Pseudo-Dionysius, ,De Divinis Nominibus'. Ein Beitrag zur Arbeitsmethode
des hl. Thomas, Scholastik 1 (1926) 321—351, zumal der Verfasser auch auf die
ästhetischen Fragen eingeht1).

Bietet der Sentenzenkommentar die Elemente einer Ästhetik, so der Dionysius-
kommentar deren Entfaltung; eigentlich Neues kommt nicht hinzu. Das Ganze wird
nur in vielen Einzelheiten reicher und lebendiger. Dieser Tatbestand ist nicht ver-
wunderlich, da Thomas bei Abfassung des Sentenzenkommentars nicht bloß die
Schrift De divinis nominibus, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Kom-
mentar Alberts des Großen zu ihr gekannt hat. Dyroff ist im Irrtum, wenn er
meint, Thomas habe die sonderbare Erklärung Alberts (Kalos enim per duo 1
scriptum significat pulchrum apud Graecos, per unum vero 1 significat bonum)
noch nicht gekannt (S. 210). Sie findet sich bei Thomas schon im Sentenzen-
kommentar: I Sent. d. 31 q. 2 a 1 arg. 4 (bonum dicitur Kalos, pulchrum Kailos).

Von besonderem Interesse wäre übrigens, wenn sich bestätigte, was mir im
vorigen Jahre ein bekannter französischer Forscher schrieb: er glaubt in einer
griechischen Handschrift des Pseudo-Dionysius in der Vaticana Glossen von der
Hand des Aquinaten gefunden zu haben. Wenn der Beweis gelingt, muß man
seine griechischen Kenntnisse natürlich ganz anders als bisher beurteilen.

Die Summa theologica, zu der wir uns nunmehr wenden wollen, bietet
die Vollendung des thomistischen Systems und damit auch seiner Schönheitslehre.
Zugleich aber haben wir hier eine stärkere Wendung zum Psychologi-
schen. Soweit wir bisher feststellen können, taucht hier zuerst der bekannte Satz
auf: Pulchra sunt quae visa placent (I q. 5a 4 ad. 1). Auf die Erläute-
rung dieses Satzes müssen wir näher eingehen, weil Dyroff sie gründlich miß-
verstanden hat.

Thomas schreibt: „Pulchrum autem respicit vim cognoscitivam; pulchra enim
sunt, quae visa placent; unde pulchrum in debita proportione consistit, quia sensus

t) Zu der eigenartigen Theorie des Dionysius von der dreifachen Bewegung
(Dyroff, S. 176 f.) ist außer Feder, S. 334, auch der Aufsatz von Et. Hugueny
heranzuziehen: Circulaire, Rectiligne, Helicoidal. Les trois degres de la contem-
plation, Revue des Sc. Philos. et Theol. 13 (1924), 327—331.
 
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