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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0301
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BESPRECHUNGEN.

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Kunstwissenschaft" herauszugeben. Das Aufschlußreiche und Anregende findet sich
nach dieser Richtung hin. Der Name „Die Kunst" erscheint doch etwas zu an-
spruchsvoll. Nicht bloß, weil zahlreiche Fragen nur flüchtig gestreift werden, son-
dern auch weil gerade die entscheidenden Wesensbestimmungen strengeren Anforde-
rungen nicht genügen können. Christiansen schenkt uns z. B. folgende „Definition:
Kunst im engeren Sinne gibt als Sinngehalt ein willensartiges Spiel eingefügt einer
Spielwelt, die höher liegt als unsere Lebenswelt". Aber mit diesem Geschenk ist
nicht viel anzufangen, da sich innerhalb jener Charakteristik die einzelnen Begriffe
überhaupt nur dank ihrer schillernden Vieldeutigkeit behaupten können. Die eigent-
liche Begabung des Verfassers weist nicht nach einer Grundlegung der Kunst-
philosophie hin; sie lebt sich in erquickender und fülliger Weise aus in der Be-
handlung wichtiger Detailprobleme. Gelänge es noch Christiansen, sein Schaffen an
ihnen von standpunktlichen Einseitigkeiten zu reinigen, wäre seine Ernte ergiebiger
und ihre Früchte vollkommener. Aber auch so haben wir — wie bereits gesagt —
begründeten Anlaß, uns der bedeutsamen Gabe zu freuen

Halle (Saale). Emil Utitz.

Pfleiderer, Wolfgang: Die Geburt des Bildes. Ursprung, Entwick-
lung und künstlerische Bedeutung der Kinderzeichnung. Mit 76 z. T. farbigen
Bildern. 95 Seiten o. J. (1930) Julius Hoffmann, Stuttgart.
Seit der Expressionismus uns verstehen gelehrt hat, daß die treue und sorg-
fältige Wiedergabe der Naturformen nicht die alleinige und unumgängliche Vor-
aussetzung für die künstlerische Darstellung ist, daß auch in Formen, die die Natur
vergewaltigen und verzerren, sich Kunst aussprechen kann, hat man die Kinder-
kunst entdeckt und sie zum Gegenstand psychologischer, ästhetischer und pädagogi-
scher Untersuchungen gemacht. Zahlreiche Werke befassen sich mit ihr, zumal die
Erkenntnis ihres Wesens für einen naturgemäßen, auf die Fähigkeiten des Kindes
begründeten Zeichenunterricht von entscheidender Bedeutung ist. Wie seine Vor-
gänger, nimmt auch Pfleiderer als erste Stufe der Kinderzeichnung die des Begriffs-
bildes an, von der das Kind mit der beginnenden Pubertät weiter strebt zum
Raumbild. Das Kind zeichnet zunächst nicht nach der Natur, sondern nach den
Vorstellungen von der Natur, die sich in ihm bilden. Es hält vom Naturgegenstand
nur die Bestandteile in seiner Vorstellung fest, die sich ihm mit besonderer Nach-
drücklichkeit eingeprägt haben. Wie der Begriff den Gegenstand auflöst in seine
Bestandteile und Eigenschaften, so setzt sich das Kind den Gegenstand aus einzel-
nen Teilen zusammen und dementsprechent addiert es auch bei seiner Zeichnung,
es fügt Teilform an Teilform. Es sieht die Welt flächig, ohne Perspektive, ohne
Licht- und Schattenmodellierung und gibt die so von ihm erfaßte Welt höchst un-
vollständig und unbehilflich wieder. Je mehr sich das Kind entwickelt, je bestimm-
ter und ausführlicher seine Vorstellungen von den Dingen werden, je mehr die
Fähigkeit der Beobachtung wächst, je geschickter es in der Wiedergabe der Wirk-
lichkeit wird, desto mehr erwacht das Streben nach Naturtreue. Es lernt den orga-
nischen Zusammenhang der Teile eines Körpers verstehen, es sucht sich der Tiefe
zu bemächtigen und sich zu diesem Zweck die Perspektive und die Schattierung
anzueignen. Aber diese beiden Stufen des Begriffsbilds und des Raumbilds sind nicht
die einzigen, die dem Kind zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu seinen Vor-
gängern rindet Pfleiderer, daß sich zwischen sie wenigstens bei den begabteren
Kindern eine weitere einschiebt, die er als die Stufe des linearen Körperbildes be-
zeichnet und das halte ich für eine wesentliche und höchst wertvolle Entdeckung.
Sie ist, wie er meint, den Gelehrten, die sich mit der Kinderkunst befaßt haben,
 
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