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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Hildebrandt, Kurt: Friedrich Wolter's Vermächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0370
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BEMERKUNGEN.

bild verleiblicht und Maximin verehrte in George den schöpferischen Meister, so
daß beide sich eins fühlten als Träger göttlicher Urkraft Das aber war das Heil
nach aller Not in öder hoffnungsloser Zeit: wenn die Erde noch jung genug war,
einen solchen Jüngling zu gebären, so mußte sie in Zukunft noch andere gleiche
Wesen gebären können. Das war das große Ziel, nach dem Nietzsche vergeblich
und verzweifelt in seiner Einsamkeit gesucht hatte — jetzt war es göttliches Er-
lebnis. Das Gedenkbuch und der VII. Ring sind der Ausdruck dieses Mitte-Erleb-
nisses in Georges Schicksal, dieses „George-Mythos", wie man später einmal
sagen wird.

Das V. Buch: „Die Herrschaft". Die Folge des beseligenden Erlebnisses, die
Zuversicht auf die Erfüllung der höchsten Sendung mußte sich auswirken in der
Erweiterung des Bundes auf Jünglinge, die sich in bewußtem Kampfe für das neue
Leben einsetzen, überhaupt in der Ausstrahlung einer staatlichen Gesinnung in
diesem neuen geistigen Sinne. Dieses neue Lebensgefühl, anstößig allen, die Geor-
ges Dichtung als „ästhetischen" „wirklichkeitsfremden" Genuß vom Leben der Volks-
gemeinschaft getrennt halten wollten, ist zur Dichtung geworden im „Stern des
Bundes":

„Dies ist reich des geistes: abglanz
Meines reiches hof und hain.
Neugestaltet umgeboren
Wird hier jeder ..."

In den beiden Kapiteln „Kronzeugen" und „Ahnen" erfahren wir, wie Pindar und
Plato, Dante, Shakespeare und Hölderlin nun mit größerer Bewußtheit in den Kreis
der Deutungen und Darstellungen treten.

VI. Buch: „Schicksal und Gestaltung". Der Weltkrieg und der Umsturz waren
die Schrecken, in denen der neue Geist sich bewähren mußte: nie war die Ver-
suchung größer, sich dem Volke als der nationale Dichter des äußeren Geschehens
zu geben. Georges Wirklichkeitssinn bewahrte ihn davor, in den Siegesjubel ein-
zustimmen und er ließ sein Gedicht „Der Krieg" erst laut werden, als die all-
gemeine Sorge den Sinn dafür öffnete, daß der Krieg noch nicht die erhoffte Wieder-
geburt bedeutete. Der Umsturz konnte ihn noch weniger täuschen: die „Drei Ge-
sänge" sind das heroische Mal, welche Zukunft des Volkes George erwartet. Die
Trennung von Max Weber und von Verwey ist ein Ausdruck dieser ihm deutlicher
werdenden Verbindung der Dichtung mit dem europäischen Geschehen — zwei
Kapitel sprechen von dem Abschluß der Blätter für die Kunst, der elften und
zwölften Folge.

Das VII. Buch „Reich und Bild" bespricht den letzten Band von Georges Ge-
samtwerk: „Das neue Reich". Dem geht voraus ein Kapitel „Die Führung der
Jugend". Dann folgen drei Kapitel, die zusammen „Das Wesen und Wirken Geor-
ges" darstellen: eines den „Dichter", das zweite den „Herrscher", das dritte den
„Meister". Als Schluß ist ein Kapitel das „Bildnis" angeschlossen, welches die
leibliche Erscheinung, im besonderen das Haupt Georges, beschreibt, die bisherigen
Bildnisse bespricht und besonders die entstehende neue Plastik, das „Neue deutsche
artgebundene Bildwerk" heraushebt. Eine Reihe Bildnisse, besonders solche nach
den Büsten Ludwig Thormaehlens, sind dem Werke beigegeben.

III.

Was ist durch dieses Buch geleistet? Auf das Eine verweist schon der
Untertitel: „Deutsche Geistesgeschichte seit 1890". Geschichte aber hat hier nicht
 
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