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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0385
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Besprechungen.

H. Bechtel: Wirtschaftsstil des deutschen Mittelalters (Der
Ausdruck der Lebensform in Wirtschaft, Gesellschaftsaufbau und Kunst von 1350
bis um 1500), München u. Leipzig (Duncker u. Humblot), 1930.

Es ist nicht leicht, die Eigenart dieses, nach vielen Richtungen eigenartigen
und in mancher Beziehung, bisher wenigstens, einzigartigen Werks an einer
Stelle zu kennzeichnen, die wesentlich der Klärung kunsttheoretischer und kunst-
geschichtlicher Probleme gewidmet ist. Denn insoweit in dem Buche B.s von Fragen
dieser Art gesprochen wird — und ein nicht unbeträchtlicher Teil ist kunst- und stil-
geschichtlichen Erörterungen gewidmet —, so geschieht dies nicht im Sinne eines
letzten und selbständigen Erkenntnis zwecks, sondern in dem eines Anschau-
ungs- und Erkenntnis mittels im Dienste von Ordnungsproblemen eines anderen,
wenn auch Stoff- und zeitverwandten Forschungsgebiets, des der Wirtschafts-
geschichte. Zwei Prinzipien hatten bisher nach der Ansicht des Verfassers hier
allein die Ordnung des gegebenen Wissensstoffs beherrscht: der rein chronolo-
gische Aufbau der Materie mit deskriptiv-illustrativen Zielen auf der einen Seite, als
primitive Reihung ohne höhere wissenschaftliche Qualität; die Gliederung in Wirt-
schaftsstufen andrerseits, als begrifflich-historische Ordnungsform höherer Art, die,
zuerst von Karl Bücher erkenntnistheoretisch fundiert, bei näherer erkenntniskriti-
scher Durchleuchtung ihren Wert hauptsächlich auf das Gebiet der Heuristik
beschränkt und von einer Übertragung elg &Xlo yevog, d. h. von ihrem Ausbau zu
einer vergeistigten und vertieften Darstellungsform sich durch den ener-
gischen Widerspruch der Fachhistoriker ausgeschlossen sah. Bechtel glaubt nun
zwischen beiden Extremen einen Mittelweg gehen zu sollen, und zwar durch Über-
tragung des „Stilbegriffs", wie er von der Kunstgeschichte der letzten Generationen
erarbeitet und immer mehr verfeinert und verästelt worden ist, auf das Gebiet der
Wirtschaftsgeschichte, durch die Konstruktion von Wirtschaftsstilen und die Ordnung
des wirtschaftsgeschichtlichen Verlaufs nach den so gewonnenen Prinzipien. Damit
aber glaubt er zwischen der äußeren Konkretion chronologischer Tatsachenreihung
und der Abgezogenheit der an das historische Leben in seiner konkreten Fülle nicht
heranreichenden Typen- und Stufenbildungen gleichsam einen gangbaren und in die
Tiefe führenden Mittelweg gefunden zu haben. Indes ist dabei nicht sowohl an eine
äußerliche Übertragung (im Sinn der Analogie) von einem Gebiet historischer For-
schung auf das andre gedacht, wie vielmehr der Gedanke zugrunde liegt, daß beide
Gebiete, Wirtschaft und bildende Kunst, in die gleichen geistigen Tiefen ihre Wur-
zel strecken und aus ihnen Nahrung, Antrieb und damit ihre stilbildende Kraft ge-
winnen, daß hier also ein wurzelhaft begründeter Parallelismus vorliege. —

Man wird — wenn es der Verfasser vermutlich auch nicht wahr haben will —
unwillkürlich an den grandiosen, aber vorschnellen und von der Forschung im all-
gemeinen abgelehnten Versuch Karl Lamprechts erinnert, wenn solche Probleme
kulturgeschichtlicher Reihung zur Debatte stehn. Gewiß waren für ihn „Kultur-
 
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