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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0394
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BESPRECHUNGEN.

tion zugute kommen. Ein solcher Fall scheint jetzt wieder im Verhältnis von Philo-
sophie und Literaturwissenschaft vorzuliegen. In der systematischen Philosophie
hat die Überwindung des sogenannten Psychologismus, wie sie um die Jahrhundert-
wende der erste Band von Husserls „Logischen Untersuchungen" brachte, längst zu
einer völligen Umstellung geführt. Sie drückt sich vor allem aus in einer Wendung
vom psychischen Erlebnis zum objektiven Gegenstand des Erlebnisses, von der
Psychologie zur phänomenologisch begründeten Ontologie. Diese Umstellung hat
bisher auffallend schwachen Einfluß auf die Entwicklung der speziellen Geistes-
wissenschaften gehabt, die nach wie vor allein von einer geisteswissenschaftlichen
Psychologie Hilfe erwarten. Nur so ist es zu verstehen, daß in der Literaturwissen-
schaft immer noch behauptet werden kann, das literarische Werk sei ein psychisches
Erlebnis des Autors, das in den Worten lediglich seine äußerliche Kundgabe finde.
Auch von Seiten der phänomenologischen Philosophie ist bisher nichts Entscheiden-
des zur Oberwindung dieses Zustandes geschehen. Die Grundlagen für die Er-
forchung des literarischen Gegenstandes enthielt zwar bereits die Husserlsche
Untersuchung über „Ausdruck und Bedeutung" im zweiten Band der „Logischen
Untersuchungen". Aber außer gelegentlichen Hinweisen von logischer (A. Pfänder)
und von ästhetischer Seite (M. Geiger) kam es nicht zu systematischen Forschun-
gen. Am weitesten war Waldemar Conrad in seinen Aufsätzen über den ästhetischen
Gegenstand vorgedrungen (Bd. 3 und 4 der Zeitschrift für Ästhetik), freilich unter
offensichtlicher Überbetonung der „Idealität" (im Sinne von Zeitlosigkeit und Un-
veränderlichkeit) des literarischen Kunstwerkes.

Das fast 400 Seiten starke Werk von Roman Ingarden, Privatdozent der Philo-
sophie in Lemberg, macht zum ersten Male das literarische Kunstwerk zum Gegen-
stand einer eigenen ontologischen Analyse. Dem Umfang des Buches, das die Be-
mühungen eines Jahrzehnts enthält, entspricht die Reichhaltigkeit des Inhaltes. Es
ist deshalb ganz unmöglich, im Rahmen einer kurzen Besprechung mehr als Hin-
weise auf die Hauptgedanken des grundlegenden Werkes zu geben. Es bietet nicht
nur neue Lösungen für langumstrittene Probleme, es führt auch an eine reiche Fülle
von neuen Phänomenen und neuen Problemen heran. Zugleich eröffnet es in Fühlung
mit der literarwissenschaftlichen Forschung Ausblicke auf neue Aufgaben und Mög-
lichkeiten der Literaturwissenschaft. Die Darstellung ist im allgemeinen klar und
gut disponiert. Die logischen und ontologischen Partien mögen freilich dem Un-
vorbereiteten oft unvermeidliche Schwierigkeiten bereiten. In seinem Interesse würde
man gelegentlich noch ein Mehr von anschaulichen Beispielen wünschen.

Das Buch nennt sich eine Untersuchung aus dem Grenzgebiet der Ontologie,
Logik und Literaturwissenschaft. Solche Untersuchungen führen leicht zu Grenz-
verwischungen. Es ist ein besonderer Vorzug der gründlichen Analysen I.s, daß er
überall die Grenzen und das wechselseitige Verhältnis der abgegrenzten Gebiete
scharf herausarbeitet. Die Hauptleistung des Verfassers aber besteht in der Frucht-
barmachung der Ergebnisse der vor allem durch Husserl und Pfänder erneuerten
Ontologie und reinen Logik. Auch der Verfasser hat sich in seinen früheren Ar-
beiten, vor allem in der über „Essentiale Fragen" (Jahrb. f. Philos. u. phänom.
Forschg., Bd. VII) viel mit ontologischen und logischen Problemen beschäftigt und
baut deren Ergebnisse in dem vorliegenden Werk weiter aus.

Der vergleichsweise kurze erste Abschnitt des Buches, „Vorfragen" betitelt, dient
nur der Herausarbeitung des Untersuchungsgegenstandes. In knapper und klarer
Form wird dort die Abwegigkeit einer psychologistischen Auffassung des litera-
rischen Kunstwerkes aufgewiesen. Sodann wird der Begriff des literarischen Kunst-
 
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