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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0122
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BESPRECHUNGEN.

denz für das Erkennen, die aber nicht für das Sein gilt. Wenn Z. das Wesen
leugnet, so muß für ihn natürlich damit auch die Wesensintuition hinfällig werden.
Ernstliche Einwände bringt er jedoch nicht; er hält im wesentlichen der Annahme
der Wesensintuition entgegen, daß sie neben Induktion und Deduktion überflüssig
sei. Als intuitiv erkennt er nur „anschauliche Erfassung von Individualität" an.
Daß es solche anschauliche Erfassung von Individualität gibt, soll nicht bestritten
werden; ebenso daß, wenn es nur anschauliche Erfassung von Individualität gibt,
kein Platz bleibt für Wesensintuifion, sondern nur für typisierende verallgemeinernde
Beschreibung. Ob es aber nur sie gibt, das ist grade die Frage.

Diese rein methodischen Bemerkungen, die sich gegen die Annahme allgemeiner
Wesen richten, sind der Ausfluß einer — ich möchte sagen — weltanschaulichen
Haltung: die Existenz allgemeiner Wesen ist unwichtig für Z., weil zum min-
desten nicht erwiesen sei, „daß man Allgemeines und Gesetzliches mit für das
Leben Wesentlichem ohne weiteres gleichsetzen darf" (S. 25). Damit sind
für Z. die allgemeinen Wesen gerichtet, denn für ihn ist „der Sinn der Wissen-
schaft, ihr einziger Sinn Dienst am menschlichen Leben" (S. 24). Das habe „eine
Wissenschaft, die sich selbst genug ist, noch nicht einzusehen gelernt". Hier
freilich tut sich ein Grundgegensatz meiner Anschauung zu der Z.'s auf. Für
mich steht die Autonomie der Wissenschaft immer noch am Beginn alles wissen-
schaftlichen Denkens. Ableitungen der Methode und des Inhalts der Wissenschaft
aus der Forderung, die Wissenschaft müsse Dienst am Leben sein, halte ich für
eine Verkennung dessen, worauf es in der Wissenschaft ankommt. Nicht „dem
Künstler die richtige Einstellung seines Blicks zu geben" ist für mich „eine vor-
zügliche Aufgabe der phänomenologischen Ästhetik", sondern zunächst einmal die
allgemeinsten Gesetzmäßigkeiten des ästhetischen Gebietes zu erkennen — ganz
gleich, ob diese Erkenntnis dem Künstler oder dem Kunsterlebenden nützt.

Näher als in der Ablehnung der Wesen steht Z.'s Begriff der phänomeno-
logischen Ästhetik der bisherigen Phänomenologie in seiner Auffassung über die
Stellung des künstlerischen Objektes in der Ästhetik. Wenn er den Gegensatz des
realen Subjekts und des realen Objekts aus der phänomenologischen Ästhetik
ausscheiden will, so wird ihm jeder Phänomenologe zustimmen. Wenn dennoch
innerhalb der Phänomenologie so sehr der Tatbestand der Objektivität des ästhe-
tischen Gegenstandes betont wird, so liegt hier ein andrer Begriff von Objekt und
Objektivität zugrunde als der ist, den Z. ablehnt. Dessoirs Abhandlung über den
Objektivismus wie die gleichgerichteten Bestrebungen der Phänomenologen wandten
ihre Front gegen die Auflösung des ästhetischen Gegenstandes in Vorstellungen
und Empfindungen, gegen die Einbeziehung des ästhetischen Gegenstandes in den
psychologischen Prozeß. Sie betonten die Gegenständlichkeit dieses Gegenstandes,
weil es in der psychologisierenden Zeit um die Jahrhundertwende zunächst einmal
darauf ankam, den ästhetischen Gegenstand in seiner Gegenständlichkeit anzu-
erkennen. Es ist Z. zuzustimmen, daß zuweilen die phänomenologische Ästhetik
weiterging, und diesen gegebenen Gegenstand als absoluten, vom Ich völlig los-
gelösten Gegenstand auffaßte; ich bin nicht sicher, ob nicht auch ich zuweilen im
Eifer des Kampfes gegen die Psychologisierung des ästhetischen Gegenstandes mich
allzu absolutistisch ausgedrückt habe. Z. betont mit Recht, daß die Brücke zum
Erleben nicht abgebrochen werden darf; wie diese „Brücke" aufzufassen ist, ist
bisher noch nicht restlos geklärt (auch bei Z. nicht). Der Hinweis, daß sie über
den „Wert" führt, ist berechtigt, genügt jedoch nicht, da ja grade die Stellung
von Wert und Ich zueinander noch immer kontrovers ist. Leider waren, zur Zeit
als Z. seine Abhandlung abfaßte, meine „Zugänge zur Ästhetik" noch nicht er-
 
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