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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0126
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BESPRECHUNGEN.

tischen Wirkungen des Bildes aus und führt in leichter Steigerung zu den feineren
und tieferen Reizen, zuletzt zu den Persönlichkeitswerten, die sich im Bilde aus-
sprechen können. So schlicht die Darstellung sich gibt, so zeigt sie doch gute
Schulung in bildkünstlerischen und allgemein-ästhetischen Fragen. Von dem kunst-
geschichtlichen Unterricht an amerikanischen Universitäten, über den ich kein
eigenes Urteil habe, ist mir manches Sonderbare erzählt worden. Ich weiß nicht,
ob der Verfasser dieses Buches Universitätslehrer ist; sollte es der Fall sein, so
würde er seine Eignung für Einführungsvorlesungen mit diesem Buch überzeugend
dargetan haben. Zu rühmen sind Ausstattung und Bildtafeln.

Berlin. Max Dessoir.

Louis Cario: Eugene Boudin Paris 192 8. Editions Rieder.
Claude-Roger Marx: Eugene Boudin 192 8. Editions Cres & Cie.

In den letzten Jahren, in denen, wie einst bei uns, eine fieberhafte Produktion
in der Kunstliteratur herrschte, ist endlich auch Boudin, der Vorläufer des Impres-
sionismus, zu seinem Recht gekommen. Das Attribut „Vorläufer" trifft nur insofern
zu, als sich die Gewohnheit eingebürgert hat, die Maler um Monet herum als den
Kreis der Impressionisten zu bezeichnen. Faßt man aber das Wort Impressionismus
als Stilbegriff auf, so muß man Boudin dazurechnen. Wer ihn nicht näher kennt,
braucht nur in dem zweiten Buch über ihn die zarten, leicht hingeworfenen Zeich-
nungen zu betrachten. Sie stehen stilistisch auf der gleichen Ebene wie die von Monet,
Sisley und Pissarro. Sie beweisen einmal wieder, daß der Form auflösende Stil
des Impressionismus nicht an einen Künstler, auch nicht an einen Ort gebunden,
sondern Zeiterscheinung war. Wenn Boudin auch unter den Weltberühmten nicht
mitgezählt wird, weil er um zwei Jahrzehnte jünger ist als sie, weil er meistens
fern von Paris in Honfleur (wo er 1824 geboren wurde), in Le Havre und Deau-
ville lebte, so ist doch auch er ein Maler, der dem impressionistischen Zeitstil Aus-
druck gegeben hat. Heute ist er auch im Louvre durch einige Bilder vertreten; aber
wirklich kennen und schätzen lernt man ihn erst in den Museen von Le Havre
und Honfleur. Dort nimmt man staunend und bewundernd wahr, daß er Monet,
Sisley und Pissarro ebenbürtig, ja insofern sogar überlegen war, als er als der
Älteste unter den Impressionisten mit dem Form auflösenden Stil begonnen hat.
Darum ist es sehr erfreulich, daß der Verlag Cres einen schönen Tafelband seiner
Werke herausgegeben hat, der Gelegenheit bietet, auch in guten Abbildungen seine
Bedeutung zu erkennen. Bei ihm als Ältestem der Impressionisten ist der Ausgangs-
punkt dieser Kunst: das holländische Seestück, die holländische Flachlandschaft,
das holländische Stilleben noch deutlich erkennbar, so deutlich etwa wie in den
frühen Bildern von Monet. Köstlich sind die Meerstimmungen des Meisters mit
dem wolkenfeuchten Himmel darüber. Corot nannte Boudin „le roi des Ciels". Mit
diesem Zitat beginnt Claude-Roger Marx seine lebendige Biographie, um weiter
daran zu erinnern, daß Baudelaire, Lepine, Chintreuil, Courbet und viele andere
Künstler seinerzeit ihn liebten und bewunderten. Es war hohe Zeit, daß uns end-
lich einmal sein Leben erzählt wurde. Diese dankbare und verdienstvolle Arbeit
hat Louis Cario übernommen und glücklich gelöst. Seine Biographie ist die
Geschichte eines einfachen Mannes, dem ein Gott die Gabe verlieh, schauend zu
erleben und das Gesehene in künstlerische Form zu gießen.

Hoffentlich werden die beiden Biographien über den Meister dazu beitragen,
daß auch in Deutschland das Lebenswerk Boudins höher geschätzt wird als bisher.

Berlin. Otto Grautoff.
 
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