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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0209
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BESPRECHUNGEN.

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mit einer Vorstufe der Aufklärung zu tun, die bis heute nicht gebührend beachtet
wurde. Schwer zu verstehen, jedenfalls — zumindest in jener Frühzeit — ernst zu
nehmen und nicht als „Maske" aufzufassen, sondern eher mit Windelband als
„naiver Ausdruck inneren Zwiespalts", bedarf diese Theorie der Erklärung aus der
seelischen Struktur des Zeitalters.

In Pirckheimers schon erwähntem Notizhefte, das im British Museum zu Lon-
don aufbewahrt wird, finden sich aber auch antike Inschriften, diplomatisch getreu
wiedergegeben, mit dazugehörigen Zeichnungen. Überzeugend weist Rupprich nach,
daß diese vor den Monumenten an Ort und Stelle entstanden sein müssen, nicht also
etwa aus Inschriftensammlungen entlehnt sind. Und da das Notizbuch, wie sich wei-
ter ergibt, in chronologischer Folge beschrieben wurde, so schließt Rupprich mit
Recht, daß sich aus der Reihenfolge der örtlichen Angaben (Rom—Padua—Rom)
ergebe, daß Pirckheimer, als er die betreffenden Blätter des Notizbuches beschrieb,
sich erst in Rom, dann in Padua und dann nochmals in Rom aufgehalten habe.
Eines der lateinischen Gedichte enthält nun eine Anspielung auf politische Ereig-
nisse der Zeit und mit dessen Hilfe gelingt es Rupprich in sehr scharfsinniger und
überzeugender Untersuchung, die Eintragungen des Notizheftes zeitlich in das Früh-
jahr (Februar bis April) 1495 anzusetzen. Da wir nun gerade um diese Zeit einen
Aufenthalt Dürers in Venedig und vor allem in Padua (Mantegna!) anzunehmen
haben, so liegt die Vermutung in der Tat nahe, daß Pirckheimer seinen Landsmann
Dürer von Rom aus in Padua abgeholt — sein Studienaufenthalt war ja schon, seit
1491, Pavia! — und mit ihm nach Rom gegangen sei.

Nun fällt diese so erschlossene Anwesenheit Pirckheimers in Padua im Früh-
jahr 1495 bis auf den Monat genau mit der Zeit zusammen, die Dürer in dem Briefe
vom 7. Februar 1506 an Pirckheimer als diejenige angibt, zu der „vor eilf Johreii"
'hm „das Ding so wohl gefallen" habe. Und so glaubt Rupprich, die vielumstrittene
Briefstelle so auslegen zu dürfen, daß sich aus ihr ergebe, Dürer spiele mit dem
Wort „Ding" auf etwas mit Pirckheimer gemeinsam Besehenes an. Das überzeugt
nicht ganz. Spricht nicht dagegen die umständlich belehrende Wendung: „Auch laß
ich Euch wissen, daß viel besser Moler hie sind weder daussen Meister Jacob ist"?
Nebenbei bemerkt, beweist das „daussen" m. E., daß unter dem „Ding" keine Werke
Barbaris verstanden werden dürfen: Er wird in Gegensatz zum „Ding" gestellt, als
Vertreter venezianischer Malerei im Auslande,

Eine Begegnung Pirckheimers mit Dürer in Italien wird aber sonst noch durch
eine Reihe anderer Umstände wahrscheinlich gemacht. Da findet sich etwa in Pirck-
heimers Notizbuche ein lateinisches Witzspiel in vier Distichen, von dem aus Rupp-
ach mit Erfolg den Dürerstich der „vier nackten Weiber" deutet. Engere Anlehnung
an ein in Rom gesehenes Gemälde wird man nicht annehmen dürfen: Gerade Rupp-
achs Deutung zeigt, wie der Stich durch und durch rationai aufgebaut ist. Die In-
schrift OGH deutet Verf. als „Ordo Gratiarum Horarumque". Man beachte, daß
»ordo" ein Begriff wesentlich rationalen Gehaltes. Legt ein —que nicht nahe, einem
Grazienpaar ein Horenpaar gegenübergestellt anzunehmen? Und ließe sich nicht
dann auch der noch unerklärte wechselnde Kopfschmuck der vier Gestalten deuten?

Zu den wertvollsten Abschnitten des Buches gehört der Hinweis auf die Dürer-
sche Übersetzung des italienischen „rinascitä" durch „Wiedererwachsung" (S. 82).
Wieder liegt m. E. Anlehnung an Pirckheimers Gedankenwelt vor. In abgeschwäch-
ter Bedeutung war das Verbum rinascere in der ital. Renaissancelyrik nicht selten,
•n den Gedichten des Notizbuches begegnet es uns gleich zweimal S. 120, Z. 7 v. u.,
s- 124, Z. 22 v. o. Beim Altissimo, Strambotti e sonetti per cura di Rodolfo Renier
(Torino 1886): 53 heißt es etwa:
 
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