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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0213
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BESPRECHUNGEN.

199

zweiter Vortrag Reitzensteins prüft die Berechtigung eines Vergleichs, der
auf Schüler Piatos zurückgeht, nämlich zwischen „Plato und Zarathustr a".

R. vermutet bei Plato eine durch den — 368 nach Athen zurückgekehrten _ Arzt

Eudoxos aus Knidos vermittelte Kenntnis der religiösen Lehre Zarathustras. Nicht
an Einzelstellen aus platonischen Schriften zeigt R. den Anklang an iranische Ge-
danken, sondern er durchmustert die Mythen Piatos. Im Politikos findet er eine
klare Bestreitung des iranischen Dualismus der Annahme einer guten und einer
bösen Weltseele; die Wahl der Form für den Schöpfungsbericht im Timaios deutet
er aus einem Wetteifern Piatos mit der iranischen Kosmogonie. Eine direkte Ent-
lehnung zu erweisen, gelingt allerdings nicht. — „Der Apostel Paulus und
die antike W e 11", dies Problem wird von Karl Ludwig Schmidt ge-
löst durch den Nachweis, daß Paulus dem Hellenismus gegenüber zugleich weit
offen und doch ganz eng ist (59) und so die ewige „Spannung von ungebundener
Absorption der Welt mit all ihren Gaben und ganz gebundener Exklusivität" (64)
vorbildlich überwindet. — Die ausgedehnte, tiefdringende Forschungsarbeit von
Hans Heinrich Schaeder über „Urform und Fortbildungen
des manichäischen Systems" verdient schon deshalb unsere Aufmerk-
samkeit, weil Mani „der einzige unter allen Religionsstiftern ist, der ein persön-
lich lebendiges Verhältnis zur Kunst hatte und seine Anhänger zur Pflege der
Dichtung, der Malerei und der Musik anregte" (84). Er war selbst Hymnendichter
und hat in dem umfassenden Mythus von der Welt- und Menschenentstehung, von
der Erlösung und dem Weltende, den er durch Zusammenballung und Umformung
älterer Überlieferungen schuf, zugleich eine großartige künstlerische Leistung voll-
bracht (115). Die These vom rein orientalischen Charakter des Manichäismus (ver-
treten von Bousset und Harnack) läßt Schaeder nicht gelten, sondern führt den
Nachweis, daß Mani mit griechischem Denken und griechischer Wissenschaft ver-
traut war. Auf welchem Wege die Berührung erfolgt ist, bleibt eine offene Frage.
Eins steht fest: „es ist die Linie, die vom Timaios und von Poseidonios' Timaios-
kommentar anhebt und, wenn wir auf den Orient sehn, zu Philo und zum Hermetis-
mus hinführt" (118). Daß die Lehre Manis auf einer an der hellenistischen Wissen-
schaft orientierten, begrifflich-theoretischen Grundlegung beruht, ist nach Schaeder
nicht zu bezweifeln. An den Manichäismus darf man ebensowenig wie an irgend-
eine andere Erscheinung des orientalischen Hellenismus mit der Frage herantreten,
ob er philosophisch oder religiös sei. Denn die orientalischen Religionen wurzeln
In der Idee des erlösenden Wissens (der Gnosis), und in diesem treffen sich reli-
giöse, ethische, metaphysische und ästhetische Fragestellungen (99 AI); damals
liegt alles an der Zusammenschau dieser Problemkreise, wie heute an ihrer rein-
lichen Scheidung. Die Gnosis setzt den von der attischen Philosophie erarbeiteten
Begriff des Wissens voraus. Er bedeutet für den Orient eine Offenbarung; dieselben
religiösen Fragen, die auch ihn erregen und bewegen, werden im griechischen
Denken „auf einer unvergleichlich viel höheren Stufe der begrifflichen Klärung
und Durchdringung" behandelt (122). Mit dieser Erkenntnis gelangt Schaeder zur
Umkehrung des heute vielfach angenommenen Verhältnisses zwischen Orient und
Griechenland: „Die Romantik unsrer Tage will in altorientalischer Weisheit die
Ursprünge der abendländischen Geistesgeschichte finden. Aber sie wird vorüber-
gehn und wieder der Einsicht den Platz räumen, daß im Vergleich mit dem Ge-
wicht des griechischen Gedankens alle andern Elemente des geistigen Aufbaus der
Mittelmeerkulturen wie Schneeflocken wiegen" (101 AI). — Alfred Dören unter-
scheidet zum ersten Mal „zwei Hauptgestaltungsformen menschlicher Sehnsüchte",
Fernphantasien und Zukunftshoffnungen, als „Wunschräume und Wunsch-
 
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