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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0215
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BESPRECHUNGEN.

201

Analogiezauber auf anderer Stufe wieder, in bestimmten Formen von Gebets-
anrufungen. Diese religiös-typologische Verwendung des Beispiels setzt die alle-
gorische Texterklärung voraus. Dornseiff erläutert seine eigenen Ausführungen
durch ein Beispiel (224—228): aus Erasmus von Rotterdam, De duplici copia ver-
borum ac rerum I cap. 46: Quibus modis superlativum variamus (Cöln 1554). —
Als Beispiel für das Nachleben antiker „Pathosformeln" (ein von Warburg ge-
prägter Begriff) will der Beitrag von Eduard Fraenkel (Kiel) betrachtet
werden, der „Lucan als Mittler des antiken Pathos" darstellt. Des
Dichters Verhältnis zur Rhetorik, zu Vergil, den er an jäher Leidenschaft überragen
will, und zu seinem Oheim Seneca, der seine innere Bildung bestimmte; seine
geistige Form als ein Leben und Denken in Extremen; die Hauptmerkmale seiner
künstlerischen Formgebung: Auflockerung der langgezogenen klassischen Linie und
Ersetzung durch kurze in sich stark bewegte Glieder — kraftvolle Zusammen-
fassung ganzer Gedankenreihen in wenige schwerbeladene Worte — scharfe, stoß-
kräftige Prägung der Gedanken — Steigerung des Pathos durch überraschende
Pointe, — dies alles bringt Fraenkel in wenigen Worten eindrucksvoll zum Be-
wußtsein. Er vermittelt eine Anschauung vom Gesamtcharakter der Pharsalia und
von der Wirkung dieses Epos eines Zwanzigjährigen auf Dante und Petrarca:
»die Größten begeben sich in die Gefolgschaft seiner Phantasie und seines Aus-
drucks, wo sie ein Pathos entladen wollen, das aus ihres Lebens Mitte stammt"
(257). — Die in kunstgeschichtlicher Hinsicht wichtigste Untersuchung des vierten
Vortragsbandes über „Die Perspektive als „symbolische Form"
stammt von Erwin Panofsky. Sie bedarf der beigegebenen Textfiguren und
der trefflich ausgewählten Abbildungen zum Verständnis, und der zahlreichen Be-
lege in den Anmerkungen zur Abrundung. Daher kommt sie bei einer gedräng-
ten Wiedergabe ohne Unterstützung durch die Anschauung notwendig zu kurz.
Perspektive ist nach Panofsky zwar kein Gradmesser für den künstlerischen Wert;
aber sie ist doch ein Stilmoment, eine symbolische Form im Sinne Cassirers
(268). P. spricht von Perspektive — „Durchsehung" nach der Begriffsbestimmung
Dürers — nur dort, wo die materielle Malfläche „zu einer bloßen „Bildebene" um-
gedeutet wird, auf die sich ein durch sie hindurch erblickter und alle Einzeldinge
>n sich befassender Gesamtraum projiziert" (258). Diese Projektion kann bestimmt
werden durch den unmittelbaren sinnlichen Eindruck oder, wie in der Renaissance,
durch eine „korrekte" geometrische Konstruktion. Diese exakt-perspektivische Kon-
struktion, die „Zentralperspektive", setzt voraus: 1. daß wir mit einem einzigen
und unbewegten Auge sehen, 2. daß der ebene Durchschnitt durch die Sehpyramide
als adäquate Wiedergabe unseres Sehbildes gelten darf; während doch das Sehen
mit zwei ständig bewegten Augen dem Gesichtsfeld eine sphäroide Gestalt ver-
leiht, und das Netzhautbild die Formen auf eine gekrümmte Fläche projiziert zeigt.
Randverzerrungen und Kurvierung des Sehbildes werden nicht beachtet. Der Antike,
die perspektivisch, aber nicht planperspektivisch sah, waren die Kurvaturen selbst-
verständlich. P. schreibt ihr auch die Ausbildung eines geometrisch-perspektivischen
Verfahrens zu. Er äußert — auf Grund besonderer Interpretation einer Stelle in
Vitruvs „Zehn Büchern über Architektur" — die Vermutung, daß die Malerei in
späthellenistisch-römischer Zeit eine Konstruktion besessen habe, die von der Vor-
stellung einer Projektions k u g e 1, im Grund- und Aufriß eines Projektionskreises,
ausging, dabei aber die Kreisbögen durch die Kreissehnen ersetzte. P. spricht hier
von einem Fischgräten- oder F 1 u c h t a c h s e n - Prinzip, im Gegensatz zu der
modernen Flucht p u n k t - Konstruktion. Diese antike Perspektive wertet P. als
Ausdruck einer bestimmten Raumanschauung. Die künstlerische Vorstellung der
 
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