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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0329
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BESPRECHUNGEN.

315

und Moden ihrer Anwendungsweise, nicht aber auf das Empfundene" beziehen.
Mit einer solchen Ausschaltung und Entwertung des Stilbegriffes — an anderer
Stelle wird von „zufälligen Stilmoden" gesprochen — soll der geistesgeschichtliche
Charakter der Untersuchung gewahrt bleiben und das hinter allen verschiedenen
Stilströmungen schwingende Gemeinsame der Epoche erfaßt werden. Epochen sind
in diesem Sinn die Einheit 15. und 16. Jahrhundert — darum Ausgangspunkt der
Untersuchung, weil dort in der Malerei offensichtlich Naturgefühl zum Durchbruch
kommt —, dann das 17. Jahrhundert und als Abschluß das 18. Jahrhundert, ge-
nau genommen also das Jahr 1800, eine Jahrhundertwende, die wir schon im
Hinblick auf Goethe niemals als Einschnitt empfinden können. Um eines Kalender-
punktes willen wird eine Epoche zerschnitten, deren Einheit ganz gewiß mehr als
eine „zufällige Stilmode" ist, und die in mehr als einem Sinn in sich geschlossener
ist als der Zeitraum von 1500—1600, für den Flemming ein spezifisches „deut-
sches Naturgefühl des 16. Jahrhunderts" beansprucht. Daß ein solches „deutsches"
Naturgefühl existiert, ist stillschweigende Voraussetzung, und so kommt es, daß
der Begriff „deutsch" im Laufe der Untersuchung ebenso wie die zeitliche Be-
grenzung bald zu eng und bald zu weit gefaßt erscheint. Zu eng — das fühlt
Flemming selbst, wenn er z. B. als Parallele für den Garten des Heidelberger
Schlosses die Gärten der Villa Madama und der Villa Farnesina heranzieht (ob-
wohl er die Beschreibung der Augsburger Fuggergärten durch Beatus Rhenanus
zur Verfügung gehabt hätte!), oder wenn er im 17. Jahrhundert niederländische
Blumen- und Landschaftsmaler als Zeugen deutschen Naturgefühls aufrufen muß.
Hier und an beliebig vielen anderen Stellen erhebt sich die Frage, wie weit man
überhaupt für eine Zeit lebendiges Naturgefühl national einschränken darf. Andrer-
seits aber ist der Begriff „deutsch" entschieden zu weit gefaßt, wenn der Geist des
16. Jahrhunderts ausschließlich vom Mitteldeutsch-Protestantischen her entwickelt
Wird, wenn an der Norm Luther-Dürer gemessen der ganze katholische Süden
(Grünewald!) verfehlt wird. — Verallgemeinerung ist eine ebenso große Gefahr
wie die Sucht, überall „Entwicklung" zu wittern. Im ehrlichen Bemühen, der
zweiten zu entgehen, hat Flemming die erste unterschätzt.

Berlin. Helli Levinger.

Eduard Engel: Deutsche Stilkunst. 31. neubearb. Aufl., Freytag, Leipzig und

Wien 1931. XI, 529 S.
Wilhelm Schneider: Ausdruckswerte der deutschen Sprache, eine Stilkunde.

Teubner, Leipzig und Berlin 1931. 256 S.

Engels Buch, ebenso gepriesen wie geschmäht, jedenfalls viel gelesen, hat für
uns große Bedeutung. Nicht nur deshalb, weil wir als Schreibende auf ehrlichen,
klaren und rein deutschen Ausdruck unserer Gedanken bedacht sein und Lehre an-
nehmen sollen, auch wenn sie von einem eifernden und eigenwilligen Manne kommt,
sondern überdies deshalb, weil wir als Ästhetiker es oft mit der Wortkunst des Dich-
ters zu tun haben. Es geht aber nicht an, daß jemand über Dichtkunst urteilt und
dabei sich ohnmächtig zeigt, seine Ansicht in gepflegtem Stil vorzubringen: man
wird ihm das nötige Sachverständnis nicht zutrauen können. Es ist überhaupt wider-
sinnig, als Sachwalter der Ästhetik aufzutreten und gleichzeitig die Schönheitswerte,
die in einer guten Prosa enthalten sind, zu mißachten. Gerade wir Ästhetiker haben
allen Grund, die Empfindlichkeit gegenüber einer Kritik unserer Schreib- und Rede-
weise abzulegen und uns von einem Mann belehren zu lassen, der Kenntnis und
Sprachgefühl vereinigt. Das ist Eduard Engel. Allerdings — mit Einschränkungen
 
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