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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0332
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318

BESPRECHUNGEN.

Es fragt sich, ob man eine solche Untersuchung, die letzten Endes kultur-
geschichtlichen Interessen dient, nicht sogar auf die bildenden Künstler der wirk-
lichen Geschichte und den Wandel ihrer Auffassung von sich selbst und ihrem
Beruf ausdehnen sollte. Bei der Betrachtung der Dichter gestalt in der Dich-
tung würde man ohne weiteres so verfahren, indem man Selbstzeugnisse der Dich-
ter heranzöge. Auf jeden Fall aber sind alle charakteristischen Erscheinungen
auf ihren kulturgeschichtlichen Gehalt hin auszubeuten, abgesehen vom Wert der
dichterischen Gestaltung, die sie gefunden haben (wie ja auch die Kunstgattung
nicht mitsprechen sollte). Ich halte es daher für einen Fehler, daß der Münchner
Kreis zwar dekorativ im Verzeichnis rangiert, in Wirklichkeit aber höchst ober-
flächlich in einem halbseitigen Kapitel abgetan wird. Grade auch die „Lebenslüge
der Schönheit" in dieser Gruppe verdiente nicht bloß behauptet, sondern ins ein-
zelne nachgewiesen zu werden. Dafür erließe ich der Verfasserin gern das ganze
Kapitel über die biographische Künstleranekdote mit seiner platten Aufzählung
von Titeln. (Warum auch S. 27 die Jungdeutschen nur in der Anmerkung?)

Mit den exakten Nachweisen hapert es überhaupt an vielen Stellen, und zwar
fehlen sie oft nicht nur hier in der Arbeit, sondern wohl auch die Unterlagen in
den Texten selber, die K. L. ausdeutet. Oder es finden sich da zwar zufällige
Einzelheiten, die ihrer Auslegung von ferne recht zu geben scheinen; betrachtet
man aber das Gesamte einer so erläuterten Dichtung in vertiefter Anschauung, so
muß man erkennen, daß unsere Deuterin ein Problem hineingetragen hat, das gar
nicht vorhanden ist.

Wenn ein Künstler (einerlei, ob bewußt oder unbewußt) ein Problem gestaltet,
so rücken die wesentlichen Bestandteile seiner Dichtung so zueinander ins Ver-
hältnis, wie es ihrer symbolischen Funktion innerhalb des Ganzen entspricht,
Parallel- und Foliefiguren, zur Verstärkung und Abhebung, richten sich aus auf
die Zentralidee. Hier, an der Gestaltung allein, haben wir die Möglichkeit, Sinn
und Wesensmitte einer Dichtung abzulesen; einzelne Worte aber, vielleicht einseitig
vom Standort einer der auftretenden Personen aus gesprochen, besagen demgegen-
über nichts Entscheidendes.

Prüfen wir unter diesem Gesichtswinkel einige Werke Hoffmanns und ihre
Auslegung durch! Diese Dichtungen hebt die Verfasserin ja als besonders bedeu-
tungsvoll für unsern Fragenkreis heraus.

Bei der Erzählung „Meister Martin der Küfner und seine Gesellen" muß man
sich, wenn K. L.s Deutung wirklich zutreffen sollte, darüber wundern, wie wenig
sinnfällig Hoffmann sein Problem gestaltet hätte: Warum läßt er, um die eigen-
artige, stets vom Verzicht bedrohte Stellung des Künstlers zum Leben darzutun,
warum läßt er dann zwei Künstler auf einmal auftreten, beide in ganz der gleichen
Lage um denselben Preis des Lebens, die gemeinsame Geliebte, ringen und zuletzt
den einen verzichten, den andern aber gewinnen? Warum vollends stellt er einen
Junker daneben, dem es auch nicht besser ergeht, der vielmehr als erster entsagt?
Wo springt denn da aus der Dichtung selber eine Erkenntnis über typisches Künst-
lerschicksal hervor? Welchen überflüssigen, ja irreführenden Aufwand hätte Hoff-
mann dabei vertan, statt in der Weise Thomas Manns einen Künstler und einen „Bür-
ger" einander entgegenzusetzen! K. L. hilft sich durch die besondere Unterscheidung,
dem Bildgießer sei es eher gestattet, „das Schaffen mit dem Besitz der Frau, also
Kunst mit Leben zu verbinden, weil er als Bildgießer dem Handwerk und damit dem
Bürgertum näher steht als der durch seine Kunst ganz entbürgerlichte Maler".
In der Tat, bei Hoffmann selber tut Reinhold, der Maler, eine ähnliche Bemerkung:
„Halt nur fest an deiner Kunst, die auch wohl mehr Hauswesen und dergleichen
 
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