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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0333
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BESPRECHUNGEN.

319

leiden mag als die meinige." Darf man aber eine so beiläufige Bemerkung in den
Mittelpunkt schieben? Und wenn K. L. gar zusammenfaßt: „Reinhold, der Maler,
flieht aus dem Küfnerhause, als er den Besitz des Mädchens mit dem Verzicht auf
die Kunst bezahlen soll, und Friedrich, der Bildgießer, geht die Ehe erst ein, als
ihm die Weiterführung seiner Kunst gewährleistet ist", so gibt diese Auslegung
ein völlig falsches Bild des Tatbestandes: Reinhold verzichtet, als er erkennt, daß
er keine Gegenliebe findet; dann allerdings tröstet er sich mit seiner Kunst, und
diese seine Worte gegen Schluß der Dichtung sind es wohl, die K. L. auf die ver-
meintliche Spur des Ganzen gelenkt haben. Ich glaube nicht, daß man das Schwer-
gewicht einer Problematik daran hängen darf; sondern der Dichter sann auf einen
möglichst hellen Ausklang auch für die Verzichtenden: so behält Reinhold die Ge-
liebte als Ideal seiner Kunst, Konrad findet die Doppelgängerin, und Friedrich
gewinnt Rosa wirklich. Wenn aber Friedrich, wie Reinhold und wie vor allem
auch der Nicht-Künstler Konrad, das halb aufgezwungene Küfnerhandwerk nicht
länger erträgt, so kann man daraus doch nichts Charakteristisches über das Ver-
hältnis des Künstlers zum Leben herauslesen: „Das Scharfen mit dem Besitz
der Frau, also Kunst mit Leben zu verbinden", darin erblickt Friedrich nicht die
mindeste Schwierigkeit; sondern ihn hindert einfach jene marottenhafte Bedingung
des Meisters Martin, die sich, echt märchenhaft, aus dem Orakel der Großmutter
herleitet. Und weil es ihm schließlich durch eine Leistung seiner Bildnerkunst, ohne
alle Absicht und Hoffnung, gelingt, Spruch und Bedingung zu erfüllen, darum gibt
ihm Martin seine Tochter zur Frau, nicht aber ist er erst jetzt zur Heirat bereit,
weil „ihm die Weiterführung seiner Kunst gewährleistet" würde. — Was die Ver-
fasserin nicht alles in ihrem Begriff „das Leben" zusammenmengt! Sie erkennt
nicht, daß sich eine Dichtung um so weniger auf typische Lebenszusammenhänge
ausdeuten läßt, je absonderlicher ihre Einzelzüge verknüpft sind. So wird denn das
Problem Kunst und Leben an einer Stelle gesucht, wo gar kein Wirkungszusam-
menhang zwischen beiden dargestellt ist.

Wie es Leute gibt, die nicht dulden wollen, daß in einem Kriegsroman auch
einmal ein deutscher Soldat nicht grade verherrlicht wird (als ob jeder Krieger in
allem, was er tut und läßt, nur Vertreter seines Volkes sei), so ist es für K. L.
von vornherein ausgemacht, daß jede Künstlergestalt Hoffmanns nur aus ihrem
Künstlertum heraus handelt und leidet. Da ist, im „Artushof", ein wahnsinniger
Maler — gleich ist damit „der tragisch dämonische Hintergrund der Kunst gestal-
tet und die gefährliche Nachbarschaft von Wahnsinn und Schöpfertum. Die Ge-
fahren sind ans Licht getreten, die den Künstler umlauern, wenn der Strom des
Genies über seine Ufer tritt und Kunst und Leben verschlingt". Aber wo ist denn
gezeigt, gesagt oder nur angedeutet, daß Berglinger durch sein Künstlertum
zum Wahnsinn gebracht wurde? Und all jene andern Hoffmannschen Gestalten mit
einem „Stich", sind es lauter Künstlernaturen? Wie soll ein Dichter denn noch
wagen, konkret zu gestalten, wenn man ihm nun alles und jedes, besonders
immer den Beruf seiner Personen, als tiefgründige Absicht auslegt!

Zum Schluß, als letzte Probe aufs Exempel, „die letzte Konsequenz des physi-
schen Mordes um der Kunst willen", „die letzte Konsequenz der unheilbaren Tren-
nung von Kunst und Leben: Der Künstler, der nicht nur ... dem Leben einige
Gefühle schuldig bleibt, sondern der gerade aus seinem dämonischen Künstlertum
heraus lebenzerstörend wirken muß": Cardillac. Eins ist klar: Um den Künstler
als Stiefkind des Lebens kann es sich hier nicht handeln, wie bei Reinhold und
Friedrich nach K. L.s Deutung, sondern die schädliche Wirkung der Kunst träfe
ja unschuldige Bürger. Ist es wirklich so, geschehen die Morde „um der Kunst
 
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