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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0336
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BESPRECHUNGEN.

Abschnittsbezeichnungen wie Das Tragische und das Komische, Der Held und das
Schicksal, Der Sinn der tragischen Katastrophe, Das Todesproblem, Leidenschaft,
Gefühl und Wille, Die Bildung der Charaktere, Die Konzentration, Die Gestaltung
des Kampfes, Der Sprachgehalt, Das Sprachgefüge u. a. m. Es stellt sich dabei
heraus, daß unbeschadet einer starken inneren Wesensverwandtschaft Kleist und
Shakespeare in stilistischen Einzelheiten doch gerade oft genug entgegengesetzt
verfahren. Neben ihrem verschiedenen Vorgehen bei Bildung der Charaktere, Kon-
zentration, Gestaltung des Kampfes ist da besonders lehrreich der Vergleich ihrer
Gestaltung und Verwendung von Monolog und Dialog. Bei Shakespeare nimmt der
Monolog eine bedeutende Stellung ein, „da die entscheidenden Bewegungen ihren
Ursprung in der Seele des Helden haben". Ihre hohe Wertung ist verständlich an-
gesichts der „innerlichen Isoliertheit der Shakespeareschen Menschen", der „inner-
lichen Losgelöstheit der Seele von der Welt". So nimmt selbst der Dialog bei Shake-
speare häufig monologischen Charakter an, indem er Mitunterredner ohne Eigen-
bedeutung bleibt und durch Dasein und Wort nur hilft, den Helden sich (gewisser-
maßen doch monologisch) äußern zu lassen. Kleists Monologe dagegen „bilden nicht
die Quelle oder wesentliche Glieder der Handlung, in ihnen strömt nicht die zen-
trale Leidenschaft aus". So hat bei Kleist der Monolog eine andere „dramatische
Funktion". Kleist „kennt nicht den inneren Kampf des Einzelnen. Der Zwiespalt
und Kampf im eigenen Ich findet bei Kleist im Monolog keinen Ausdruck". Auch
das Wesen des Dialogs ist bei Kleist und Shakespeare kennzeichnend verschieden.
Dient bei Shakespeare der Dialog oft dem Gefühlsausdruck des Einen, hat in ihm
der Eine meist ganz offensichtlich die Führung — Ausnahme etwa der Dialog Bru-
tus—Cassius —, so ist bei Kleist der Dialog in erster Linie Kampfdialog, was
eine gleichmäßigere Gewichtsverteilung auf beide Unterredner voraussetzt. Bei
Shakespeare stehen „die Sprechenden ... einander ferner und freier gegenüber",
während für Kleist die herrschenden Dialogformen Verhördialog und Überzeugungs-
dialog sind.

Dies als Beispiel, wie die Verfasserin mit tiefdringendem Blick für stilistische
Eigenart ihre Vergleichsmethode handhabt. So eröffnet sie auf Schritt und Tritt
wertvolle Einblicke sowohl in Kleists wie auch in Shakespeares dramatische Kunst,
sodaß nicht nur der Kleistfreund sondern ebenso der Bewunderer Shakespeares das
Buch mannigfach bereichert aus der Hand legen wird. Das Verhältnis Kleists zu
Shakespeare ist nach den Ergebnissen der Verfasserin merkwürdig aus Wesensver-
wandtschaft, Gegensatz, erlebter Einwirkung und betonter Eigenart gemischt. „Die
Berührungen mit der Form Shakespeares sind vereinzelt und rühren nicht an die
Grundtendenz", die bei Kleist mit menschlich-künstlerischer Notwendigkeit aus
seiner so starken, eigenartigen Persönlichkeit selbständig und durch Äußeres un-
beirrt hervorbricht. Der Vergleich Kleists mit Shakespeare aber, wenn er mit derart
feinem Verständnis für das Wesen beider, wie es hier geschah, durchgeführt wird,
läßt das dramatische Werk Kleists besonders deutlich in seiner eigenartigen Größe
erkennen.

Greifswald. Kurt Gassen.

H. A. Korff: Geist der Goethezeit, Versuch einer ideellen
Entwicklung der klassisch-romantischen Literatur-
geschichte, Band I und II, I.I.Weber, Leipzig 1923 und 1930.

Das Werk, dessen dritter Band noch aussteht, ist ein sehr beachtenswertes Er-
gebnis nachhaltiger und eindringender Denkarbeit, die seinen Verfasser schon weit
 
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