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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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Schmarsow, August: Vergleichsmethoden
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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0065
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BEMERKUNGEN.

51

„Auch in der Architektur gibt es ja rhythmische Bewegungen, die beruhigend
wirken, und sei es nur durch die Gegenüberstellung zum Ansturm der Bewegung,
der ihnen vorangeht oder nachfolgt.

„Die deutsche Schule, ja die Romantik überhaupt, ist darauf hinausgelaufen,
die Beruhigung zu versagen und hat deshalb die Wertsteigerung der zweiten Strophe
übertrieben, so daß ein angstvolles Wettlaufen entspringt, das nicht mehr weiß, wo
es hinauswill. Besser als durch allzuviel Worte verständigen wir uns mit Hilfe
unsres architektonischen Schemas. Da sieht man vor Augen, was geschieht, wenn
der Produktionswert als Dominante emporgegipfelt wird:

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Fig. 5.

„Der Mittelkörper des Tongebäudes ist nicht mehr klassischer Ordnung, son-
dern gotisch. Und es trifft an unserem Symbol genau zu, daß jeder Bewegung der
Linien eine musikalische Bewegung entspricht, denn in diesem Fall machen sich
außer der Dominante noch andere Tonalitäten Bahn: zuerst die Unterdominante und
dann allmählich die entferntesten von der Tonica. Der gotische Charakter, der dar-
aus entspringt, hat anfangs keine Gegenstreben von den Seiten nötig; aber je mehr
die Mittelstrophe sich verwickelt und in die Höhe steigt, desto dringlicher macht
sich die Notwendigkeit fühlbar, äußere Glieder anzufügen, die sich wie Strebebögen
stützend gegen den Giebel legen."

* *

*

Ich möchte der schematischen Zeichnung gegenüber nicht darauf hinweisen,
daß sie als hybrides Gebilde aus gotischem Dreispitzgiebel und klassischem Unter-
satz, doch wohl nur als Karikatur zu wirken vermöge. Aber mit diesem Vergleich
des Sonatenbaues und einer gotischen Kirchenfassade schnappt die Durchführung
für diesmal überhaupt ab. Und dagegen darf ich meinen Einspruch nicht zurück-
halten, weil ich den Weg darüber hinaus schon selber gewiesen hatte, sowohl in dem
letzten Werke über ltal. Kunst im Zeitalter Dantes als in vielen andern Beispielen
seit meiner Leipziger Antrittsrede von 1893. Es geht nicht an, beim Ablesen der
Außenseite von links nach rechts stehen zu bleiben, zumal, wo die Dominante, in
der Mitte dieses Weges, so nachdrücklich Halt gebietet, und das Hauptportal dar-
unter so einladend auffordert, ins Innere des Raumgebildes vorzudringen. Es ist
 
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