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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0081
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BESPRECHUNGEN. 67

Setzungen der Geschmacksbildung, des Publikums und der Öffentlichkeit zu ver-
stehen. Die Kunstsoziologie würde dann einmal (1) — in der Fragestellung der
allgemeinen Kunstwissenschaft — untersuchen, wieweit das Kunstwerk als „Dar-
stellung auf ein Gefühlserleben" an die Gesellschaft geknüpft ist, wieweit eine
spezifische Sinngebung der Gesellschaft in der Kunst verschiedene symbolische
Formen (malerisch, tektonisch, naturalistisch, symbolisch usf.) annimmt; selbst das
Kunstwertproblem würde soziologisch bedeutsam werden, kann man doch fragen,
in welcher Weise das Kollektiv die Werthaftigkeit des Kunstwerkes bestimmt,
zum sozialen Ideal umbildet oder völlig entwertet. Dann aber müssen die sozialen
Bedingungen des Kunstschaffens (2) untersucht werden und schließlich (3) die sehr
wesentliche Frage danach, ob von der Kunst als Faktum eine sozialisierende Wir-
kung ausgeht, eine Frage, die man vielfach als die einzig kunstsoziologisch rele-
vante angesehen hat.

Das hier aufgeworfene Problem von der größeren Reichweite der Kunst-
soziologie gegenüber der allgemeinen Kunstwissenschaft sucht der Verfasser syste-
matisch zu vertiefen. Er sucht gleichsam eine transzendentale Ebene, auf der alle
genannten Problemkreise zusammenstoßen. Dies A priori der kunstsoziologischen
Fragestellung liegt für ihn in einem allgemeinen ästhetischen Bewußtsein. Mit
diesem Schritt muß jedoch die Frage nach dem Verhältnis der allgemeinen Kunst-
wissenschaft zur Ästhetik neu aufgerollt werden. Bestimmt das Ästhetische die
Kunst nicht in ihrem Wesen, sind dementsprechend Ästhetik und allgemeine Kunst-
wissenschaft in dem Sinne geschieden, daß für diese die ästhetischen Faktoren der
Kunst nur „nebengeordnete" Bedeutung haben, dann würden — bei Parallelsetzung
der Kunstsoziologie mit der allgemeinen Kunstwissenschaft — im wesentlichen auch
nur „außerästhetische" Faktoren soziologisch bedeutsam sein. Dem steht aber die
Tatsache gegenüber, daß die Kunstsoziologie zweifellos „rein" ästhetische Probleme
zu untersuchen hat, z. B. das Problem der Geschmacksbildung. Lassen wir die
Tatsache bestehen, daß alle Interessen der allgemeinen Kunstwissenschaft auch für
die Kunstsoziologie von Belang sind, so übersteigt diese dennoch die allgemeine
Kunstwissenschaft in sehr wesentlicher Weise. Und zwar empfindet Sauermann
diese Obersteigung als so schwerwiegend, daß er ihr zu Liebe die Eigenständigkeit
der allgemeinen Kunstwissenschaft aufgeben zu können vermeint. Ein allgemein
ästhetisches Bewußtsein bedingt das Gesamtgegenstandsgebiet der Kunstsoziologie;
das Problem der Kunst und das Problem des Ästhetischen koinzidieren im Bereiche
dieses Bewußtseins und als Zentralproblem der Kunstsoziologie taucht die Frage
auf, wie eine soziologische Ästhetik möglich sei. Hierbei gehen ständig zwei
Problemkomplexe durcheinander, bei deren Scheidung der Verfasser nicht immer
die wünschenswerte Klarheit hat walten lassen. Zunächst muß doch das Verhältnis
der Kunst zum Ästhetischen auf eine Formel gebracht werden, bevor weiter gefragt
werden kann, wie das ästhetische Bewußtsein als ein soziales möglich ist. Diese
durchaus zu Recht als Schwierigkeit empfundene (314) Problemstufung kann jedoch
durch die recht unkritische Voreingenommenheit, mit welcher der Verfasser an die
Frage vom Verhältnis der Kunst zum Ästhetischen herangeht, keineswegs als
geklärt, geschweige denn als gelöst angesehen werden. Zudem erscheint es uns
ungeeignet, in einem Werk vom Charakter eines „Lehrbuchs" Probleme durch eine
mehr oder weniger stillschweigend vorausgesetzte dogmatische Entscheidung zu
lösen. Hier wäre ein einfacher Auf weis der bestehenden Schwierigkeiten fruchtbarer
gewesen.

Diese Mahnung scheint uns noch dadurch an Berechtigung zu gewinnen, daß
Sauermann bereits im Ansatz das Verhältnis vom ästhetischen Phänomen zum
 
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