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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0383
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BESPRECHUNGEN.

369

sakramentalen Gottwirklichkeit, steht aber hierin keineswegs in seiner Zeit allein.
„Zweifellos hat die Gegenreformation die Beziehungen zum Kultisch-Sakramentalen
gefördert" (S. 317).

Was in der Geschichte der Auferstehungsdarstellungen Tintoretto für die
italienische Kunst bedeutet, bedeutet Greco für die spanische, Pieter Bruegel d. Ä.
für die niederländische. Die kühnste Komposition, in ihrer unvermittelten Jähe
durchaus nordisch, ist die Deckenmalerei der Antwerpener Jesuitenkirche von
Kubens (S. 343).

Ein letzter Abschnitt ist den deutschen Auferstehungsdarstellungen seit dem
späteren 16. Jahrhundert gewidmet; das Schluß-Kapitel wirft, nachdem die
Wunderwerke der barocken Deckenmalerei erreicht sind, die Frage auf: „Welches
aber ist das ,letzte Wort' der nordischen Kunst gewesen?" (S. 363). Schrade meint,
daß Rembrandts Münchener Auferstehung von 1639 eine darstellerische Endmög-
lichkeit andeutet. Rembrandt nimmt dem Herrn jedwedes Zeichen eigener Mächtig-
keit. „Schlaff vom entleibenden Schlaf, in den er gefallen, umschlungen noch von
den Tüchern, in die er zu Tode gebettet gewesen, matt wie ein Kranker, abwesend
wie ein Fremdling, hat sich Christus im Sarge mühsam aufgerichtet" (S. 364).
Allerdings handelt es sich um ein verhältnismäßig frühes Bild. „Es bleibe un-
erörtert, ob Rembrandt in einer späteren Darstellung des Gegenstandes einen ge-
stalterischen Ausweg aus solchen Tiefen der Kreaturheit — Christus ein Bruder
des Lazarus — gefunden hätte. In dem Münchener Bilde scheint das Licht der
Höhe nur herabzukommen, um offenbar zu machen, wie endlich das Endliche ist.
Rembrandt entgöttert Christus vollkommen" (S. 366). Wie ist das möglich ge-
worden? Schrade gibt eine tiefgreifende Antwort. „Wir haben bei der Beschreibung
der mittelalterlichen Auferstehungsdarstellung stets ihre weltliche Bezogenheit be-
tont. Vor der ,letzten' dieser Darstellungen erhellt vielleicht erst ganz, was es mit
dem Verendlichungswillen des Mittelalters auf sich hatte. Das Endliche mußte
gesucht werden, um ahnen lassen zu können, was das Ewige
ist. Es ist ein nicht seltener Trugschluß, daß das Mittelalter vom Endlichen nichts
habe wissen wollen, weil es mit allen seinen Kräften dem Ewigen anhing, daß in-
folgedessen der Anspruch und der Ausdruck des Ewigen in jeder Form in dem
Grade überwunden wurde, in dem die Zuwendung zum Endlichen stattfand. Gerade
weil das Mittelalter vom Ewigen den ihm gemäßen absoluten Begriff hatte, mußte
und konnte es die Welt als Erscheinung bewerten. Vom apriorischen Bewerten
zum tatsächlichen Sehen ist aber der Weg ein unausweichlicher. Daher konnte das
Mittelalter, kunstgeschichtlich gesprochen, den modernen Realismus begründen, der
Welt als Erscheinung darstellt" (S. 366).

Schrade schließt mit Betrachtungen über „Akademismus" (Claude Mellan,
S. 368 f.!) und „Romantik" (C. D. Friedrich, S. 378!). Es wäre zu wünschen, daß
der Leser seinen früheren Aufsatz „Die romantische Idee von der Landschaft als
höchstem Gegenstände christlicher Kunst" (Neue Heidelberger Jahrbücher, 1931)
ergänzend zu Rate zieht. Der Weg der Entwicklung führt nämlich erst zur Alle-
gorie, dann zur Entmythisierung. Schließlich drängt alles zur Landschaft. C. D.
Friedrich hat Landschaften gemalt, die „Auferstehung" zum Ausdruck bringen,
obwohl der auferstehende Herr und das Grab, ja selbst das Kreuz fehlen. Hier
dürfen wir von wahrer und hoher Symbolik sprechen, von „lebendig augenblicklicher
Offenbarung des Unerforschlichen" (Goethe).

Heidelberg. Hermann Glockner.

Zcitsclir. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVII.

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