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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0388
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374

BESPRECHUNGEN.

nach Erlösung vom Leid. Dieses Sehnen schafft sich den Begriff des Leiderhabenen,
des Schönen." So wird der Kunst ihre Stelle in der Gesamtkultur angewiesen.
Zugleich ergibt sich ihre Beziehung zur Weltanschauung, und ihre Wandlungen
werden verständlich als zwangsläufige Folgen aus den Wandlungen der Welt-
anschauungen.

Die Untersuchung geht aus von einer Abgrenzung der Aufgaben und der Aus-
drucksmittel, die den bildenden Künsten, der Architektur, der Malerei und der Pla-
stik zu eigen sind. Eine tiefgründige, nur streckenweise etwas lang geratene Unter-
suchung, nicht zuletzt über die verschiedene Rolle, die Licht und Schwerkraft bei
jeder von ihnen spielen. Die Abhandlung „Sinn und Zweck der Baukunst" reiht
sich an. Hier gilt es, auch die Abgrenzung gegen die Technik zu finden. Schubert
gelangt zu dem Schlüsse, daß als Werke der Baukunst alle Werke zu gelten haben,
die einer Idee nicht bloß ihre Entstehung verdanken, sondern in ihrer formalen
Gestaltung diese Idee klar zum Ausdruck bringen, während alle anderen Schöp-
fungen in das Gebiet der Technik zu verweisen sind auch dann, wenn sie einer Idee
ihre Entstehung danken, wenn aber die Befriedigung des profanen Bedürfnisses die
formale Durchgeistigung der Idee nicht in die Erscheinung treten läßt. Damit wird
die, oft gehörte, Beschränkung der Baukunst auf Versinnlichung sakraler Ideen auf-
gehoben, die einer gerechten Würdigung der Gegenwartsarchitektur vielfach hem-
mend im Wege steht. Die Darstellung der Wandlungen in den die verschiedenen
Kulturepochen beherrschenden Ideen und der sich daraus ergebenden Wandlungen
im Gestalten der Architektur gehören zum Wertvollsten des Buches. Die Wichtig-
keit der technischen Ausdrucksmittel wird nirgends verkannt. Stets wird aber zu-
gleich betont, daß der technische Fortschritt sich immer dann einstellt, wenn eine
Idee ihn fordert. Im Städtebau (3. Abhandlung) spiegelt sich für Schubert mit Recht
der Zeitwille am deutlichsten.

Das Kapitel „Vom Zeitenmaßstabe" verfolgt die Veränderungen, die in der
Architektur durch eine Veränderung im Maßstabe gegenüber der Gesamtheit der
Beziehungen zum Dasein ausgelöst werden. Wie an einem Beispiel erörtert werden
möge. „Griechenlands Maßstab entspricht der Abwendung von der Fremde nach
dem Innern, durch die ein nie wieder erreichter Glanz im Brennpunkt der Strahlen
erzeugt wurde. Roms Maßstab geht vom Innern nach der Fremde, da Rom bestrebt
war, mit dem aus Griechenland und der übrigen Welt entlehnten Strahlen die ganze
bekannte Welt in gleichem Maße zu erfüllen." Weitere Zeitenmaßstäbe werden auf
ähnlich knappe Formulierung gebracht, der Gegensatz von Kultur und Zivilisation
wird geklärt, die Bedeutung des Mythos, der jeder Volksgemeinschaft eigentümlich
ist, und die Bedeutung seiner Zerstörung. Woraus für Schubert die Notwendigkeit
erwächst, daß unsere Kultur aus dem ihr zugehörigen Maßstabe sich einen neuen
Mythos erschafft.

Die letzten Abhandlungen befassen sich mit „Erfolg und Stilbildung" sowie mit
dem Künstler und seinem Werk. Der Erfolg des Kunstwerks ruht letzten Endes in
der Gleichheit der Ziele, die der Künstler und die seine Zeit hat. Allein: der wirk-
lichen Ziele, nicht der scheinbaren. Aus der Tatsache, daß der geniale Künstler
die wirklichen Ziele und „das Dauernde im auf- und abwogenden Zeitsehnen" früher
erkennt als die Mehrheit der Zeitgenossen, ergibt sich so oft die Tragik seines per-
sönlichen Lebens und sein Konflikt mit dem Bauherrn.

Das Buch, das eine Bejahung unserer Zeit und der ihr innewohnenden Kräfte
ist, wird von wenigen, aber schlagenden Bildbelegen für den Einklang von Architek-
tur und Weltanschauung begleitet. ,

a 6 Hans Hildebrändt.
 
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