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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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Roretz, Karl von: Bausteine zu einer Gedankenästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0204

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KARL VON RORETZ

ihm (S. 36): „This delight which accompanys sciences, or universal
theorems, may really be called akind of Sensation (Sperr, vom
Verf.!); since it necessarily accompanys the discovery of any proposition
and is distinct from bare knowledge itself, wheras the knowledge is uni-
formly the same". Auch gewisse Gefahren einer „ästhetisierenden" For-
schung bemerkt er scharfsichtig und warnt vor ihnen (S. 35).

Soviel mir bekannt ist, hat Hutchesons kluge Feststellung keinen
eigentlichen Nachfolger gefunden. Das schließt gewiß nicht aus, daß
hin und wieder, wie wir ja noch sehen werden, ähnliche Gedanken da
und dort aufleuchten. — Ich setze hier auf gut Glück eine gelegentliche
Bemerkung des geistvollen amerikanischen „Instrumentalisten" John
Dewey her: Er hält es für möglich, daß gewisse chemische Formeln
— aber doch nur auf besonders geartete Individuen — einen quasi-
ästhetischen Reiz ausüben könnten: „I suppose that even equations com-
posed of chemical Symbols may under certain circumstances . . . have for
some persons a poetic value, though in such cases the effect is limited
and idiosyncratic". — Man wird kaum behaupten dürfen, daß Dewey
durch sein Beispiel die an sich schon viel zu enge Position Hutchesons
wesentlich erweitert habe!

Denn es handelt sich doch wohl um nichts Geringeres als um eine
bewußte und grundsätzliche Erweiterung des bisherigen Bereichs der
Ästhetik. Es handelt sich darum, dem Begriff der „Schönheit", oder,
vorsichtiger ausgedrückt, dem Begriff des „ästhetisch Wirksamen", eine
weitere oder doch tiefere Deutung zu geben, die mit der bisher fast all-
gemein üblichen Schulmeinung von seiner Morphologie nicht mehr ganz
zusammenfällt.

Die Auffassung, der hier Ausdruck verliehen werden soll, läßt sich
vielleicht ganz grob in folgenden 6 Punkten zusammenfassen:

1. Es gibt eine Art des ästhetischen Erlebens, bei welcher der sen-
suelle Faktor, mit dem die bisherige Ästhetik fast immer operiert, gänz-
lich zu verschwinden scheint oder doch in seiner bisher angenommenen
Bedeutung stark herabgesetzt wird. (Es würde also hiebei alles, was man
bis heute, in wechselnder Terminologie, als dem ästhetischen Erleben
notwendigerweise verhaftet ansah — der „sinnliche Schein", das „Bild-
hafte", das „eidetisch Gegebene", die „Sosein-Kontemplation", die „evi-
dente perception" usw. usf. — hier seine Bedeutung mehr oder minder
einbüßen!).

2. Diese Art ästhetischer Erregtheit läßt sich erleben bei der geisti-
gen Aufnahme (und Verarbeitung) gewisser abstrakter Denkgebilde
oder solcher, wenn auch sinnlich zugänglicher Sachverhalte, bei denen
die veranschaulichende Darstellung als solche ästhetische ganz indiffe-
rent erscheint.
 
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