Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 34.1940

DOI Artikel:
Lindlar, Heinrich: Hans Pfitzners Liedästhetik: Ruf und Widerhall
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14215#0167
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HANS PFITZNERS LIEDÄSTHETIK / RUF UND WIDERHALL 153

Pfitzners einzig um die aus dem musikalischen Einfall geborene Einheit"
insofern mißverständlich sein, als die Urbeziehung (im Einfall) und die
fortwährende Rücksichtnahme (in der Elaboratio) auf den Gedicht-
Organismus nicht mitausgesprochen erscheint. Während hier getrennt
wird: „Da ist einmal das Formale, zum andern das durch den ,Einfall'
bestimmte, sozusagen innere Liedgesetz," beklagt Alexander Berrsche21)
zu Recht, „man fühlte nicht mehr, daß nicht der Wille zur Form, sondern
der Einfall selbst es ist, der sich nach den ihm innewohnenden biologi-
schen Gesetzen die Form schafft." Aus solcher sinnbildhaften Erfülltheit
aller formalen Einzelheiten erweist sich der Symbolcharakter vornehmlich
der Musik, wie Pfitzner mit Feuchtersieben bekennt: „Alle Kunst ist
Symbolik."

Rückschauend will uns der Widerhall auf Pfitzners Einfalls- und Lied-
ästhetik da am irrigsten dünken, wo sich mit Konrad Wandreys mahnen-
der Feststellung „die zwanghafte Verkennung zeigt, der das normativ
Richtige verfällt, wenn es unter den Gesichtswinkel der historischen Ein-
stellung gerät. Und da die meisten Menschen nur noch historisch ge-
richtet erleben, da ihnen das Sein und die Substanz durch die Versklavung
an das Zeitliche und Veränderliche ganz zu entschwinden droht, erntet
schlechten Lohn, wer den Blick nachdrücklich auf das richtet, was sich
verwandelt, und weniger darum bekümmert ist, worein es sich ver-
wandelt22). —

Dem sein ganzes Liedschaffen bei allen Wandlungen umfassenden
Blick wird Hans Pfitzners Lied als letztmögliche Erfüllung aus roman-
tischem Geist erscheinen: vom Wagnerepigonentum her durch die Ge-
sichte und Verzweiflungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre in eine volk-
haft gläubige Gegenwart geführt. „Freifliehende Flamme" (Jean Paul),
an die uns der Komponist mit dem Dichter glauben macht, „dort geht sie
hin, und fördert neues Leben."

21) Hans Pfitzner und die absolute Musik. Pfitzner-Werkverzeichnis, Leipzig
1918 bis 1938.

22) Hans Pfitzner. Seine geistige Persönlichkeit und das Ende der Romantik.
Leipzig 1922, S. 79 f.
 
Annotationen