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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 34.1940

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Der Symbolwert des Historischen in der Baukunst unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14215#0168
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Der Symbolwert des Historischen
in der Baukunst unserer Zeit

Von
G. F. Hartlaub

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In der Entwicklung der Architektur etwa seit dem Beginn des 20. Jahr-
hunderts lassen sich — auf weite Sicht — zwei Gruppen erkennen.
Die eine hat ihre Grundlagen im wesentlichen vor dem Weltkrieg ge-
schaffen; die andere setzt in der Hauptsache nach diesem an. Beide
laufen dann neben einander her und verschränken sich mannigfaltig.
Gemeinsam ist ihnen vor allem das entschiedene, beinahe affektbetonte
Abrücken von der Gewohnheit historischer Stilnachahmung, wie sie
die gesamte Baukunst des 19. Jahrhunderts in allen Kulturländern be-
herrscht hatte. Auch in den Forderungen, die Form logischer als bisher
aus der Zweckerfüllung hervorgehen zu lassen, in dem Ruf nach „ehr-
licher", das heißt nicht vortäuschender Behandlung der Werkstoffe, in der
Zurückhaltung gegenüber dem Ornament (auch dem „nichthistorischen"
des Jugendstils) stimmt die Bewegung von 1905 mit der von 1925 in der
Hauptsache überein. Sonst aber bestehen große Gegensätze. Die Baukunst
eines Behrens, Kreis, Bonatz und vieler anderer wollte den Unsinn der
eklektischen Stilnachahmung, wie er im Zeitalter der Maschine und der
Weltwirtschaft schließlich zur Verlogenheit hatte führen müssen, grund-
sätzlich dadurch überwinden, daß sie im ganzen an den letzten noch
einigermaßen organisch gewachsenen Weltstil (Klassizismus, Empire, Bie-
dermeier) wiederanzuschließen suchte, um mit dessen entsprechend weiter
gebildeten Mitteln auch neuesten Aufgaben gerecht zu werden. Auf diese
Weise entstand eine Architektur, die den kubischen Massen und Pro-
portionen der Gilly- und Schinkel-Epoche ihre allzu zeitbedingten, vom
Geist des klassischen Idealismus getragenen antiken Formzitate teilweise
abstreifte, um mit dem abstrakteren Formkern auch modernen Zwecken
auf eine monumentale Weise zu genügen. Diese Baukunst, welche ge-
legentlich auch die repräsentativen Ansprüche des wilhelminischen Zeit-
alters zu erfüllen suchte, hat in manchen Zügen die Grundlage für die
deutsche Architektur seit 1933 abgegeben, von der sie dann freilich mit
einem neuen Macht- und Willensausdruck erfüllt wurde. —
 
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