Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 34.1940

DOI Artikel:
Böhm, Wilhelm: Das Bild in der Dichtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14215#0201
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BEMERKUNGEN

187

er kann dazu beitragen, daß der Malerei wieder ihr Recht in der Zeit wird. —
Natürlich darf keiner dem Historiker verbieten, Geschichte nach Gesichtspunkten zu
schreiben, die ihm wertvoll sind, aber dann darf er sein Werk nicht systematisch-
philologisch betiteln, wie P. — Unter dem eigentlichen Gegenstand der systematischen
Literaturforschung, in die P.'s Werk gehört, verstehe ich das fertige, von der Leib-
lichkeit des Dichters abgelöste Werk; hier kann vom Dichter nur soweit die Rede
sein, als er seine natürlich und historisch bedingte Person bereits darin aufgegeben
hat. Petersen hat neuerdings das Werk von der empirischen Person des Dichters
kategorisch geschieden. Wenn er übrigens die Spitze der Pyramide aller Merkmale
des Werks mit dem philosophischen Terminus der „Idee" bezeichnet, so wäre P.'s
Ziel, Dichtung als Bild zu fassen, grundsätzlich kein Gegenteil.

Die Verantwortung des einzelnen Dichters lebt auf, sobald man ihn historisch
kontrollieren kann, insbesondere auch, wenn er sich bewußt anonym gibt. Schon das
Volkslied dichtet sich nicht selbst, wenn auch oft mehrere es zusammen verfaßt
haben. Wenn der Arbeiterdichter vom Krieg anders spricht als der differenzierte
Rilke (II, S. 434), so hat er vor seiner Volksschicht die gleiche Verantwortung wie
Rilke vor seiner Bildungsschicht.

Sobald jedoch die Gesamtkultur ins Anonyme zurückschreitet, sprechen wir von
Mythen. Neuerdings nennen wir zwar auch Hölderlins Dichtungen Mythen, aber nur
vergleichsweise, weil wir sein irrationales Schaffen damit bezeichnen wollen. — An
diesen modernen Mythen und den prähistorischen unterscheiden wir jedoch, daß in
einem Fall der Wahrheitsgehalt und Teilhabe und Abstand dem Schöpfer primitiv
unbewußt sind, im andern das dichterische Ich in seiner Mittlerschaft zwischen den
übergreifenden Ordnungen und dem Menschen, sei es Volk, sei es Individuum,
stärkste Selbstverantwortung übt. P.'s Ausführungen über das dichterische Selbst
(II, S. 492), besonders über die Selbstverantwortung, sprengen seine erste Definition
des Symbols. P. zitiert das Wort Vicos: „Jede Metapher ist ein kleiner Mythos";
auch dies scheint mir seine Unterscheidung von Metapher und Symbol zu ver-
wischen. —- Tatsächlich beschränkt sich P. im ersten Bande auf die Untersuchung
der Metapher als Teilform der poetischen, und zwar lyrischen Rede, während er im
zweiten ganzen Werke nach der Divisio die Novelle, Tragödie, aber auch wieder
Lyrik untersucht, wobei er noch Untersuchungen über den Roman in Aussicht stellt.
Auch dabei verfließt sein Unterschied von Metapher und Symbol. Seine Heran-
ziehung des Gemeinschaftsgrunds und der Metaphysik tritt in Konkurrenz zur
Erforschung der spezifischen Merkmale des Bildes als Dichtwerk, für welches die
Worte Symbol, genauer poetisches Symbol, und Metapher als Teilsymbol allein zu-
ständig sind, und auf deren Herausarbeitung zunächst alles ankommt, um den Ort
aller erweiternden Gesichtspunkte, besonders des „Gemeinschaftsgrundes", hiernach
zu bestimmen. — Wenn man sich vornimmt, einen irrationalen Gegenstand metho-
disch zu erforschen, so muß man, um der Diskursivität unseres Denkens willen,
ihn notwendig in rationale Komponenten zerlegen, auch wenn das Wort Komponenten
zur Zeit nicht hoch geachtet wird. Wenn man solche Komponenten auch soviel wie
möglich zur Konvergenz zu bringen die Pflicht hat, so ist hier immer nur ein relatives
Optimum erreichbar.

Die Verschmelzung von Seelenbewegung und Sprache, das „Ins Bild Bringen",
ist für ihn gemeinsames Merkmal für Metapher und Symbol. Aber Sprache und
Sprache sind bereits verschiedene Dinge, und Bilder werden nicht nur in Sprache
ausgedrückt. Das Bild ist ein wesentliches Merkmal aller Kultur, auch wenn man
sie auf Gemeinschaftsgrund und übergreifende Ordnung des Daseins bezieht; die
Metapher ist ein Merkmal nur der Poesie; sie ist Redeteil. Hölderlin freilich nannte
 
Annotationen