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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Keppler, Paul Wilhelm von: Kanzeln aus mittelalterlichen Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0022

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1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1

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welche auf dem Sims der unteren Platte aufsitzen.
Die Brüstung besteht nur aus fünf Theilen,
mit den Fugen auf den Ecken; ihre fünf Felder
sind je mit einem andern, kräftig durchge-
führten Maafswerkmotiv belebt. Die durch-
brochene Brüstung des Aufganges ist aus einem
Stück, der Aufgang unten untermauert, die Stufen
ohne Profilirung. Neben dem Aufgang die reich
profilirteThüre zur Sakristei. Schalldeckel fehlt,
weil bei der geringen Ausdehnung der Kirche
entbehrlich.

Wegen ihres charaktervollen Baues und Or-
namentes erscheint diese Kanzel als ein sehr
würdiges Objekt der Nachahmung; aber auch
diese Wahl des Standortes und diese Art der
Anbringung dürfte für kleinere Kirchen recht
zu empfehlen sein.

2. Kanzel in St. Veit in Eppingen in
Baden, aus dem letzten Drittel des XV. Jahrh.
Die Kanzel steht an der Nordwand der ein-
schiffigen Kirche und ist zugänglich von dem
erhöhten Fufsboden des Chores aus, welcher
noch eine gute Strecke in's Schiff hereinreicht
und ein erhöhtes Podium für die Nebenaltäre
bildet. Die Konstruktion ist aus dem über Eck
gestellten Achteck herausgebildet und ergibt
sich aus der Anlage und Breite des Aufganges.
Der Unterbau besteht aus drei Stücken. Der
Fufs geht aus dem Quadrat in das über Eck
gestellte Viereck über; der Schaft ist im Grund-
rifs ebenfalls aus zwei durchsteckten Vierecken
konstruirt; seine Profilirung dreht sich nicht
wie gewöhnlich im Kreise, sondern im Achteck.
Die Auskragung ist mit Maasswerk belegt, aus
welchem sich die Gräte des Achtecks heraus-
entwickeln. Die Platte besteht aus einem ein-
zigen Stück. Die Brüstung ist auf den Ecken
mit Säulenstäben besetzt, die Felder mit Maafs-
werkgefüllt. Die Stiegenbrüstung ist nicht durch-
brochen, aber mit tiefgearbeitetem Maafswerk
ausgelegt; sie besteht nur aus zwei Stücken.
Der Pfosten, gegen den sie sich anlehnt, ist nicht
mehr vollständig erhalten; möglich, dass er
früher einen schmiedeeisernen Ueberbau trug.
- Aehnlich ist die Kanzelanlage in Stockheim,
Oberamt Brackenheim, in Württemberg von 1590.
3. Kanzel in der Kirche St. Johann
Baptista in Schwaigern, OberamtBracken-

heim,in Württemberg. Ueber die interessante
Baugeschichte dieser Kirche s. Keppler, Württem-
bergs kirchliche Kunstalterthümer, S. 50. Der
ursprünglich romanische Bau wurde 1514 durch
Bernhard Sporer bedeutend vergrössert mit mög-
lichster Schonung und Benutzung des Bestehen-
den. Aus dieser Periode stammt auch die Kanzel
von schlanken, schönen Verhältnissen, an einen
Pfeiler angebaut, der zum Theil ausgenommen
wurde, um den nöthigen Platz zu gewinnen;
oben findet die hierdurch entstandene Nische
ihre Auflösung in einem baldachinartigen Schall-
deckel aus Stein, der leider fast ganz zerschlagen
ist. Die Kanzel ist aus dem Sechseck konstruirt,
ebenso der reich profilirte Fufs und Schaft;
die Profilirung des letzteren dreht sich im Kreise.
Die Auskragung hat sehr energische Gliederung
mit tiefen unterschnittenen Hohlkehlen und
gekuppelten Stäben; sie ist zugleich Platte und
bildet mit der vorletzten Stufe des Aufgangs
ein Stück; die letzte, oberste Stufe ist in die
Platte selbst eingehauen. Die Brüstung auf den
Ecken mit reichem Stabwerk besetzt, in den Fel-
dern durch zierliches Maafswerk belebt; der
Brustsims ist aufgelegt. Die Brüstung des Auf-
gangs besteht aus nur einem Stück, das nach
den Stufen ausgenommen ist (s. Schnitt a—b);
vielleicht bildete einst ein schmiedeeisernes Ge-
länder die Fortsetzung der Brüstung nach unten.
Die Profilirung der Aufgangsbrüstung ist die-
selbe wie die der Kanzel. Die Stufen sind in
die Mauer eingesetzt und selbst untermauert.
Der Pfeiler ist, um die Stufen tragen zu können,
unten verstärkt; daraus geht hervor, dass Pfeiler
und Kanzel gleichzeitig sind, daher auch letztere
wohl als Werk Bernhard Sporers anzusehen
sein dürfte.

Diese wenigen Zeilen sollen einstweilen nur
das Interesse für die Steinkanzeln, das histori-
sche und praktische Interesse, wachrufen, die
Aufmerksamkeit den ziemlich zahlreich noch
erhaltenen mittelalterlichen Werken dieser Art
zuwenden und zur Nachahmung und Nachbil-
dung derselben im g'eichen Material reizen.
Wir hoffen später aus der Mappe desselben
tüchtigen Zeichners noch weitere Musterbeispiele
vorführen zu können.

Freiburg i. Br. Paul Keppler.
 
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