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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Pfeifer, Hans: Der siebenarmige Leuchter im Dome zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0032

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1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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der zu Essen. In Klosterneuburg befindet sich
ein solcher von 4,23 m Höhe ohne Fufs, wel-
cher stark ornamentirt ist; im Dome zu Prag der
Fufs eines solchen mit reichem Figurenschmuck,
Bestien und Ornamenten. In der Bustorfkirche
zu Paderborn ist ein siebenarmiger spätroma-
nischer Leuchter von Messinggufs vorhanden,
dessen kuppenförmiger Fufs mit Hirschen,
Löwen, Hunden und Greifen zwischen Blatt-
ornamenten verziert ist.

Von fremdländischen romanischen Leuchtern
sind der siebenarmige Leuchter im Dome zu
Mailand und der Leuchterfufs von St. Re"mi
in Rheims hervorzuheben. Ersterer ist einem
Baume nachgebildet, heifst daher „Marienbaum"
und ist reich und edel in Form und Orna-
mentik, letzterer in der Ausbildung und Aus-
schmückung ähnlich dem unserigen, aber etwas
roher und schwulstiger.

Wenden wir uns nunmehr unserem Leuchter
zu, so drängen sich zunächst die Fragen auf:

1. Welcher Zeit gehört der Leuchter an
und wo ist er hergestellt?

2. Wo hat er ursprünglich im Dome ge-
standen?

Der Leuchter wird nach Schiller8) und Neu-
mann4) zuerst urkundlich 1223 erwähnt und
zwar in einer Urkunde des Pfalzgrafen Heinrich,
mit welcher dieser die Schenkung des Marien-
altars seitens seiner Mutter Mathilde im Jahre
1188 bestätigt. Diese urkundliche Notiz hat,
wenn sie richtig datirt ist, für die Altersbe-
stimmung des Leuchters nur geringen Werth
und würde eigentlich nur bestätigen, dafs der
Leuchter im Jahre 1223 bestimmt vorhanden
gewesen ist. Wir müssen daher versuchen, das
Alter aus den Formen des Leuchters selbst zu
ermitteln. Hierbei haben wir Bronzen zum
Vergleich heranzuziehen, die, sei es in histori-
scher Hinsicht, sei es wegen der Kunstformen
oder der Technik mit unserem Leuchter ver-
wandt sind. Da haben wir zunächst an zwei
hervorragende Bronzewerke zu denken, deren
Entstehungszeit zweifellos ist und die räumlich
mit unserem Leuchter in Beziehung stehen:
der Löwe auf dem Burgplatze und der Marien-
altartisch. Den Löwen hat Herzog Heinrich der
Löwe 1166 vor seiner Orientfahrt als Hoheits-

:)) Schiller, »Die mittelalterliche Architektur Braun-
schweigs« (Braunschweig 185^) S. 23.

4) Neumaun »Der Reliquienschatz des Hauses
Braunschweig-Lüneburg« S. 16.

und Rugezeichen, den Altar seine Gemahlin
Mathilde 1188 auf dem Hochchore errichtet.
Vergleicht man nun die den Leuchterfufs tragen-
den Löwen mit dem Löwen auf dem Burgplatze,
so ist eine gewisse stilistische Uebereinstimmung
in der Form des Kopfes, sowie in der Lage
und Gestaltung der Haare der Mähne nicht
zu verkennen. Die Blätter ferner, welche die
Kelche über den Knäufen bilden, weisen die-
selben charakteristischen Formen auf, wie an
den Kapitellen des Marienaltars, welcher sich
jetzt zwischen den Wangen der Chortreppe be-
findet. Einen weitern Vergleich bieten die
Emaillereste dar, welche am zweiten Knaufe des
Leuchters erhalten sind. Diese Emaillen weisen,
was Technik (Grubenschmelz) und Farben-
gebung, namentlich hinsichtlich des stark auf-
tretenden Roth anbetrifft, auf rheinische Arbeit
hin, wie denn auch der Weifenschatz — der
alte Blasiusschatz — ähnliche Emaillen aus
dem XIII. Jahrh. besitzt. Unter den Emaille-
platten, die in Fassungen aufgelegt sind, be-
finden sich auf den betreffenden Leuchtertheilen
Buchstaben, welche Beihmann5) für griechische
Schriftzeichen erklärt, aus denen er die Ent-
stehung des Leuchters im Orient ableitet. Dr.
Schiller hat sie für lateinische Buchstaben ge-
halten und daraus geschlossen, dafs der Leuchter
ein einheimisches Produkt sei. Die Buchstaben
sind wohl nur Merkzeichen für den Künstler,
ähnlich wie die Steinmetzzeichen, und es dürfte
müfsig sein, denselben eine besondere Bedeu-
tung beizulegen und die Zeichen zu Worten
zusammen zu bringen. Die Form der Zeichen
weist aber ebenfalls auf das XII. Jahrh. hin;
ganz dieselben Buchstaben kommen auf einer
dieser Zeit entstammenden Glocke in Ahlshausen
bei Salzderhelden und an anderen gleichalte-
rigen Kunstwerken vor.

Endlich müssen wir zur Altersbestimmung
auch noch den Leuchterfufs von St. Re"mi in
Rheims, der vielfach abgebildet ist, so in den
Nouveaux Mölanges, Decorations d'eglises S.223
und 225, heranziehen; derselbe zeigt mit dem
Fufse unseres Leuchters eine auffallende Aehn-
lichkeit, wenigstens was die Gesammtform an-
betrifft und die Drachengestalten auf den Ecken.
Dieser Leuchter gehört dem Anfang des XII.
Jahrh. an und man kann sich der Vermuthung

5) Westermann, »Illustrirte deutsche Monats-
hefte« Nr. 59 Bd. X S. 555 (1861).
 
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