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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schlie, Friedrich: Die Bronze-Fünten von St. Marien in Wismar, vom Dom zu Schwerin und von der St. Jakobs- und Dionysiuskirche in Gadebusch
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0062

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89

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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bliebene Giefser der Wismar'schen Fünte der
erste war.

Was uns betrifft, so möchten wir den Wismar-
schen Taufkessel nicht für viel später halten, als
die aus dem Jahre 1290 stammende Fünte von
St. Marien zu Rostock, die von uns im VII. Jahr-
gang dieser Zeitschrift Sp. 129—134 besprochen
ist. Das ist gleiche frühgothische Kunst zweier
nordischer Meister, die in einem nahe ver-
wandten Vorstellungskreis von Bauformen und
Figurenverhältnissen zu arbeiten gewohnt sind.
Man beachte auch als Zeichen der Frühgothik
den Wechsel der Nischenformen, wie wir ihn
in anderer Weise bei der Fünte von St. Nikolai
in Rostock kennen gelernt haben. (Vergl.
Jahrg. VII, Sp. 378.)

Nun ist aber, wie schon bemerkt worden
ist, der Plan in der Anlage des Bilderkreises
derselbe wie der auf der Lübecker Fünte des
Hans Apengeter vom Jahre 1337. Und dennoch
ist dies eine ganz andere Kunst, zwar immerhin
gleichfalls frühgothische Kunst, aber der grofsen
schönen Fünte zu Rostock nicht so nahestehend
wie die des Wismarschen Werkes. Man möchte
daher glauben, dafs der Rector ecclesiae von
St. Marien in Wismar seinem Amtsbruder von
St. Marien in Lübeck den Plan seiner eigenen
Fünte übergeben habe, um ihn von dem dor-
tigen Hans Apengeter nachbilden zu lassen.
Die Hand des Wismarschen Giefsers — wenn
es einer aus Wismar war, und das möchten wir
nach der Art, wie sich die alten Städte mit
eigenen Kräften einrichteten und ausrüsteten,
nicht im Mindesten bezweifeln — schaltet viel
freier, sicherer und meisterlicher als die des
Lübecker Giefsers, der eine ängstliche Gebunden-
heit und hie und da eine schülerhafte Unsicher-
heit und Ungleichmäfsigkeit zur Schau trägt.
Man vergleiche, um nur eines zu nennen, die
treffliche Gruppe des thronenden Christus
zwischen Johannes und Maria im oberen Streifen
der Wismarschen Fünte mit der entsprechenden
Gruppe der Lübecker. Kurzum, wir stehen
keinen Augenblick an, die Wismarsche Fünte
als das vollkommnere ältere Werk eines un-
gleich tüchtigeren unbekannten Meisters anzu-
sprechen, dem der weniger bedeutende Hans
Apengeter mit einer schwächeren Kopie im Jahre
1337 folgte, und möchten deshalb, wenn wir
die Zeit zwischen 1290 und 1337 in zwei
gleiche Hälften theilen, die von dem Jahre 1314
geschieden werden, die Wismarsche Fünte weit

lieber in die Zeit von 1290 bis 1314 als in die
von 1314 bis 1337 gesetzt wissen. Es kann
sich also nur um das Ende des XIII. und den
Anfang des XIV. Jahrh. handeln.8)

Im XVII. Jahrh. hat die Wismarsche Fünte
die Zuthat Anderer sich gefallen lassen müssen.
Man liest neben der Szene der Himmel-
fahrt die aufgemalten Worte: ZACH ARIAS
SCHNOR LVCRETIA SCHNOR EHE-
LICHE HA VSERA W ANNO 1661. Es sind
das die Namen eines Ehepaars, das sich auch
sonst noch in St. Marien zu Wismar verewigt hat.
Die Fünte verdankt den beiden genannten Per-
sonen einen im Geschmack der Spätrenaissance
gearbeiteten Deckel, der jetzt unter dem Thurm
zurückgestellt ist. Was für einen Deckel die
Fünte vorher hatte, ist nicht zu sagen, wahr-
scheinlich war auch dieser von Holz, da, nach
einer alten Notiz, der „Maler" im Jahre 1555
„Abgebrochenes" zu repariren hatte.

Von geringerer künstlerischer Bedeutung ist
die Schweriner Fünte. Nach dem Charakter ihrer
hochgothischen Formen und Minuskeln gehört .
sie entweder dem Ende des XIV. oder dem
ersten Viertel des XV. Jahrh. an. Sie ist so
ziemlich von derselben Gröfse und Höhe wie die
Wismarsche Fünte. Der Kessel hat oben einen
Durchmesser von 1,24 m; seine Höhe beträgt
1,10 m, die acht gepanzerten Ritter, welche ihn
tragen, sind 0,34 m hoch. Auf jeder der acht
Seiten ein Doppelbaldachin mit zwei darunter
angebrachten Heiligen von je 0,26 cm Höhe.
Diese Doppelbaldachine werden durch kräftige
Pfeiler auf den acht Kanten des Kessels, an die
sie sich anlehnen, zu einem grofsen gothischen
Ringbildwerk zusammengefafst. Doch sind von
sechszehn Figuren nicht mehr als die Schutz-
heiligen des Domes, die h. Jungfrau mit dem
Kinde und der h. Evangelist Johannes, sowie
Christus in der Taufe im Jordan und Johannes
der Täufer zu bestimmen. Die übrigen zwölf
stellen heilige Männer und Frauen in unregel-
mäfsiger Abwechselung dar. Oberhalb dieser
Baldachine läuft ein durch die Pfeiler und
Baldachine zusammen in zweiunddreifsig kleine
Felder zerlegtes Band einer Inschrift. Auch
hier wieder eine Begrenzung jedes Feldes durch
zwei kleine Figuren von je 0,80 cm Höhe. Doch

:i) Lotz »Kunstlopographie« I, S. 632, notirt bei
der Fünte zu Wismar das XV. Jahrh., allerdings mit
einem Fragezeichen. Ueber Hans Apengeter vgl.
Hach im »Repert. f. K.-W.« IV, S. 178 ff.
 
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