Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Die neue Dreikönigenfahne des Kölner Domes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0074

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
107

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 4.

108

aufgenommen werden konnte, wenn deren Maafs-
stab nicht allzu sehr beschränkt werden sollte.
Auch die Rückseite der Fahne durfte des
Schmuckes nicht ganz entbehren, und seine kurze
Beschreibung möge hier noch Platz finden.

Die ganze Seite wird von einem weifslichen
Brokatellstoff mit goldfarbiger, mittelgrofser
Granatapfelmusterung (Fabrikat von Gotzes in
Krefeld) bedeckt. Auf demselben sind in der
Mitte nebeneinander in grofsen Dimensionen
und kräftigen Linien die drei Kronen (der
hl. Dreikönige) aufgestickt in Goldanlage-Arbeit,
also über Bindfäden mit versetzten Stichen, und
rothe Kordel bezeichnet die Konturen. Ueber
Holzknöpfchen geführtes Silberbouillon markirt
die Kronreifen und bunte Glasflüsse, theils mit
Gold und rother Kordel, theils mit Flitter ein-
gefafst, steigern noch die hier vornehmlich ge-
forderte dekorative Wirkung. Ober- und unter-
halb dieses, die ganze Seite beherrschenden
Kronenfrieses läuft ein an den Enden sich
theilendes und durch den Umschlag noch an
Breite gewinnendes Spruchband von pfaublauer
Atlasseide, welches mit braun konturirtem Gold-
kördelchen verbrämt ist. Die weithin erkenn-
bare Minuskel-Inschrift:
„Tria sunt munera, quae obtulerunt Magi
Domino: Aurum thus et myrrham"
ist mit goldfarbiger Seide über Sprengkarton im
Plattstich ausgeführt. Oben wie unten zeigt
ein Wappenschild die nähere Bestimmung der
Fahne an durch das alte Stifts-, wie das neue
Kapitels-Wappen, jenes die ganz in haute-lisse
gestickte Standfigur des hl. Petrus vor dem aus
weifs überzogenen Silberfäden gebildeten Kreuze
auf schwarzem, im Fahnenstich ausgeführten
Grunde; dieses aus Silberstoff bestehend, auf
welchem das schwarze Kreuz ebenfalls im
Fahnenstich eingetragen ist; silberne und schwarze
Seidenkordel dienen beiden als Umsäumung.
Für die acht Rosetten, welche ringsum die
Monotonie des Grundes mildern sollen, er-
schien die Applikation mit Korbstich und rother
Kordulirung als die angemessenste Technik.
Ein pfaublauer Seidenstreifen mit versetzten
Rosettchen, die aufgenäht und mit Goldfrise
umsäumt sind, bildet mit einer schmalen, wieder-
um durch die vier charakteristischen Farben
(blau, grün, goldig, roth) ausgezeichneten Fransse
den oberen Abschlufs, und an den beiden Seiten
in demselben Grundton ein breites Band, in
welches fortlaufende, oval geschlungene Ranken

in hochgestickter Schlingarbeit mit der Tam-
bourirnadel eingetragen sind.

Auf diese Weise hat auch die Rückseite,
die bei den Fahnen gewöhnlich verkümmert er-
scheint, oder in unpassender, meist zu klein-
licher Ausstattung, hier durch verhältnifsmäfsig
einfache Mittel einen ganz würdigen Schmuck
erhalten, denn die Sinnbilder, Inschriften und
Wappen geben ihrer Bestimmung Ausdruck
und gliedern die grofse Fläche, für deren Grund-
belebung freilich ein dessinirtes Gewebe, welches
nicht zu grofse, aber auch nicht zu kleine,
kräftig markirte, aber nicht unruhige Muste-
rungen haben mufs, unbedingte Voraussetzung
bleibt. — Schon eine einfache aber markante
und korrekte Inschrift als oberer Abschlufs,
bezw. ein grofses, gut stilisirtes Monogramm
in der Mitte, ist in Verbindung mit Franssen-
verbrämung geeignet, einen passenden Fahnen-
dekor zu liefern, zumal wenn die unteren
Schlitze durch starke Betonung zur Gliederung
mitwirken, und für den seitlichen Abschlufs
empfehlen sich die bekannten kölnischen Seiden-
borten als ein wohlfeiles Aushülfsmittel, wenn
auf die Handarbeit verzichtet werden soll.

Am Schlüsse möge nochmals betont werden,
dafs für die Gewinung einer tadellosen Stickerei
Zeichner und Stickerin zusammenwirken müssen.
Am besten wäre es freilich, wenn beide Thätig-
keiten in einer Hand, der der letzteren, lägen,
aber dazu fehlt es, wenigstens für die gröfseren
Aufgaben auf kirchlichem Gebiete, vorderhand
noch an den geeigneten Kräften. Nur zu oft
wird noch technisches Können in den Dienst
mangelhafter Vorlagen gestellt, zu oft brauch-
baren Mustern eine ungeeignete Technik auf-
genöthigt, zu oft gutes Material für schlechte
Farbenzusammenstellungen mifsbraucht. Gewifs
hat gerade auf diesem Gebiete der Dilettantis-
mus, verbreitet wie er ist, auch seine Berech-
tigung, aber nur der strebsame, und dafs der-
selbe allmählich bei tüchtiger Begabung und
unermüdlichem Fleifs zur vollendeten Meister-
schaft sich auszuwachsen vermag, beweist die
Verfertigerin der vorliegenden Fahne. Die alten
Muster sind ihre Lehrmeister in Bezug auf
Zeichnung und Technik gewesen, und doch
hat sie nicht unterlassen, der Fortschritte in
der letzteren sich zu bemächtigen, insoweit sie
Vereinfachungen sind, entsprechend den Be-
dürfnissen der Zeit, vielmehr noch des Mangels
daran. Schnütgen.
 
Annotationen