Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Bischofsstab Albrecht's von Brandenburg im Nationalmuseum zu Stockholm
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0076

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
111

1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 4.

112

und wo immer darauf Rücksicht genommen
werden mufste, wie bei einem Reisebischofsstabe,
beschränkte man sich entweder auf scharfes
Ineinanderpassen der Hülsen, deren Halt ein
loser Stift verstärkte, oder man suchte aus zwei
über ein rundes Stäbchen nebeneinanderge-
wundenen Drähten eine Schraube zu gewinnen.
Das erste primitive Auftreten derselben vermag
ich nicht über das XV. Jahrh. hinaus zu ver-
folgen, in dessen Anfang eine aus dem Schafte
einer hochgothischen Monstranz herrührende
Silberröhre mir vorliegt. Um den Kern wie in
die Hülse ist in vier spiralförmigen Windungen
der Silberdraht gelöthet, und diese greifen noch
jetzt, durch eine Handhabe am unteren Ende
leicht in Bewegung gesetzt, mit einer gewissen
Festigkeit ineinander. Eine ähnliche Einrich-
tung findet sich auch an zwei Knäufen unseres
Bischofsstabes, die sich hier allerdings viel
weniger behauptet hat.

Die unterste Hülse, die direkt in den Eisen-
stift ausläuft, zeigt kräftig, ohne Schatten, aber
mit Markirung des Umschlags, eingravirtes Blatt-
werk, dem schwach eingetragene Horizontal-
linien als Hintergrund dienen, und alle anderen
Hülsen sind ebenso behandelt. Durch wulstartige
getriebene Ringe sind sie von einander getrennt,
die mit eingepunzten Figuren und Ornamenten
versehen sind. Diese bestehen auf dem unteren
Knäufchen in drei durch Blätter geschiedenen
Löwenköpfen, auf dem mittleren in drei Me-
daillons mit Löwenkopf, männlicher und weib-
licher Büste, auf den beiden oberen, in unsere
Abbildung aufgenommenen in Wappenschild-
chen, welche den auf dem grofsen Knaufe in
Email angebrachten Wappen als Ergänzung
dienen. Dieser etwas abgeflachte, aus zwei
Schaalen zusammengelöthete Knauf ist mit dem
streng stilisirten charakteristischen Ranken- und
Blattwerk in getriebener und. ciselirter Arbeit
verziert, welches, unter der Bezeichnung: Alde-
grever bekannt, die ganze Verzierung des Stabes
beherrscht. Drei profilirt eingefafste buckel-
artige Medaillons von 372 bis 4 cm Durchmesser
scheiden diese kräftigen Ranken und das eine
derselben ist mit dem vergoldeten Monogramm
Christi I HS auf schwarzem Emailgrund ver-
ziert, der ursprünglich nicht beabsichtigt war,
weil an den ausgebrochenen Stellen flach ein-
gravirtes Rankenwerk zu Tage tritt. — Die
beiden anderen emaillirten Medaillons zeigen die

bekannten Amts- und Familien-Wappen des
Kardinals Albrecht von Brandenburg,
Erzbischofs von Mainz, Magdeburg, Halber-
stadt. Die in einem der Zwickel in schwar-
zem Email auf Goldgrund angebrachte Jahres-
zahl 1539 bestätigt die einzelnen Formen,
welche schon einen ganz ausgesprochenen
Renaissancecharakter haben, wie er um diese
Zeit in Mitteldeutschland bereits Eingang ge-
funden hatte. Die Wappen von Mainz, Magde-
burg und Halberstadt wiederholen sich, zwischen
Ranken eingravirt, auf dem oberen Knäufchen,
wie die vier Familien-Wappen in derselben Tech-
nik auf dem unteren wiederkehren. Den Ueber-
gang zur Krümme vermittelt eine üppig ge-
staltete Büchse, die aus vier gröfseren festan-
liegenden, aus vier kürzeren lose aufliegenden,
und vier dazwischen stehenden noch kleineren
akanthusartigen Blättern zusammengesetzt ist,
um aus diesem Kelche die sechsseitig getriebene,
röhrenartige Krümme, in der um diese Zeit üb-
lichen Sichelform herauswachsen zu lassen,
deren beide Aufsen- und Innenseiten von einem
Zeckenzugprofil eingefafst, deren ganz glatte
Vorder- und Rückseite nur durch eine scharfe
Naht gegliedert sind. Die ringsumlaufende
Furche hat als leichten, dekorativ sehr wirk-
samen Schmuck fünf ausgeschnittene, aufge-
buckelte und durch aufgelöthete Drahtnerven
verstärkte Blattwulste, die theils durch einge-
steckten Draht theils durch übergelegten Bügel
nur nothdürftig festgelegt sind, ähnlich den
durch Oesen festgehaltenen, wildgetriebenen
Blättern, welche den inneren Kreis füllen.
Ihren Mittelpunkt bildet das vergoldete mit
eingravirter Maserung verzierte Kreuz, welchem
von beiden Seiten dieselbe gegossene Heilands-
figur mit flatterndem Lendentuch und breitem
Titel angeheftet ist. Dasselbe wächst aus einem
emaillirten Berge heraus, auf dem die weifsen
und weifsumränderten rothen Tropfen sich
von dem rothen, blauen, grünen Grunde sehr
wirkungsvoll abheben, also in ähnlicher Be-
handlung wie der Untersatz des im vorigen
Hefte (Sp. 67) beschriebenen Stockholmer
Kreuzes, welches wohl aus derselben mittel-
rheinischen Werkstätte hervorgegangen ist, dem
dieser Stab seinen Ursprung verdankt, mit
seinen für seine 'Entstehungszeit schon recht
fortgeschrittenen Renaissanceformen.

Schnütgen.
 
Annotationen