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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Semper, Hans: Ueber eine besondere Gruppe elfenbeinerner Klappaltärchen des XIV. Jahrh. , [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0082

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123

1898. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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Zu erwähnen ist noch, dafs auf dem zweiten
Londoner Altärchen sämmtliche Blendarka-
den, welche die Relieffelder oben umfassen,
noch durch Spitzgiebel mit Krabben und Kreuz-
blumen überhöht sind, während letztere am
ersten Londoner Altärchen nur an den unteren
Feldern, auf dem Pariser Altärchen gar nicht
vorkommen.

Alles zusammengenommen kann kein Zweifel
herrschen, dafs auch dieses Altärchen aus der-
selben „Fabrik" stammt, wie die beiden vor-
erwähnten.

Dasselbe gilt auch von dem vierten Altär-
chen, das wir dieser Gruppe zuweisen, imMuseo
Civico zu Bologna,4) nur dafs hier die Skulp-
turen von einer wesentlich derberen, weniger
kunstreichen Hand ausgeführt wurden, als an
den vorgenannten Altärchen.

Auch die Architektur ist derber, aber nach
demselben Schema wie die der anderen Altär-
chen ausgeführt.

Die Reliefszenen stimmen auch am Bolog-
neser Altärchen in Inhalt und Reihenfolge fast
vollkommen mit beiden Londoner Altärchen
überein. In den oberen Szenen deckt sich das
Bologneser Altärchen durchaus mit dem einen
oder andern der Londoner Altärchen; in den
unteren Szenen zeigt die Anbetung der Könige
dieselbe Figurenvertheilung wie das zweite Lon-
doner Altärchen, während blofs in der Dar-
stellung im Tempel eine neue Variante auf-
tritt. Während die Madonna mit dem auf dem
Altar stehenden Kind und dem hl. Simeon, der
es auf seine Arme nimmt und als Heiland
preist, auf dem äufseren Felde rechts unten zu-
sammengedrängt sind (wogegen diese Figuren
an den bisher erwähnten Altärchen die beiden
unteren Felder des rechten Doppelflügels ein-
nehmen), ist auf dem inneren Feld noch Joseph
dargestellt, der in der Linken eine Kerze, in
der Rechten einen Korb mit Turteltauben als
Opfer hält. Diese Figur werden wir auf anderen
Altärchen, die ebenfalls dieser Klasse ange-
hören, wieder antreffen. — Ein fünftes Altärchen
dieser Art befand sich ehemals in der Samm-
lung Spitzer (Katalog n. 120) und gelangte so-
dann in den Besitz des Herrn Bourgeois in
Köln. Dasselbe stimmt im Bau mit den bis-
her erwähnten vollständig überein und ruht auf
einem viereckigen, oben und unten profilirten

4) Fotografia de]]' Emilia n. 2543.

Sockel, während der Mittelgiebel über der von
Freisäulchen flankirten Nische noch von drei
Pinakeln bekrönt ist. Die Madonnenfigur in
der Mittelnische ist denen der beiden zuletzt
genannten Altärchen in der Haltung sehr ver-
wandt; wie jene, trägt auch sie in der Rechten
einen Blumenstraufs. Der krönende Engel fehlt.
Auch hier sind auf den beiden zweitheiligen
Flügeln in zwei Geschossen acht Abtheilungen
mit den nämlichen Szenen aus dem Marien-
leben ausgefüllt, wie an den schon geschilderten
Altärchen. Auch dieselben Motive kehren
wieder. Die Darstellung im Tempel ist
entsprechend derjenigen auf dem von Schnüt-
gen publizirten Londoner Altärchen. Die Ge-
burt Marias zeigt von den bisher erwähnten
Altärchen die Abweichung, dafs Maria, zwar
ähnlich wie auf dem Pariser Altärchen (Molinier,
Katalog II), von Joseph abgewendet, auf ihrem
Lager ruht, jedoch nicht wie auf diesem die
eine Hand dem Kinde entgegenstreckt.5)

Während die angeführten fünf Altärchen im
architektonischen Aufbau ganz übereinstimmen,
indem sie aus einer vertieften Mittelnische mit
zwei freistehenden Säulchen, sowie zwei Doppel-
Hügeln bestehen, welche sich beim Schliefsen
des Altars mit ihren Giebeln und Halbgiebeln
vor die ebenfalls übergiebelten drei Seiten des
Mittelbaues legen, so zeigt eine zweiteGruppe
von Elfenbeinaltärchen, die stilistisch der
vorigen sich im Uebrigen vollständig
anschliesst, eine reichere Ausbildung
des Mitteltheiles und in Folge dessen
auch eine breitere Ausbildung der Flügel,
deren jeder jetzt in drei senkrechte Theile
zerfällt, von denen jedoch blofs der erste und
zweite sich in Scharnieren bewegt, während der
dritte mit dem zweiten Theil ein einheitliches,
blofs architektonisch getrenntes Stück bildet.
Uns sind bis jetzt zwei Beispiele dieses Typus
bekannt, doch würden sich deren gewifs noch
mehrere nachweisen lassen. (Fortsetzung folgt.)

Innsbruck. Hans Semper.

5) Ein sechstes Altärchen von sehr schöner Ausfüh-
rung, auch im Kensingtomnuseum (n. 141, 1866) dürfte
ebenfalls, trotz einzelner wesentlicher Abweichungen,
dieser Gruppe angehören. Doch reichen meine Notizen
nicht hin, um dies bestimmt zu behaupten.

Die diesem Aufsalze beigegebene Abbildung eines
Allärchens im Besitz des regierenden Fürsten von
Liechtenstein gehört ebenfalls dieser Richtung, jedoch
einem anderen Typus derselben an, der in der folgenden
Nummer zur Besprechung gelangt.
 
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