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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schnütgen, Alexander: Der hl. Goldschmied Eligius, Gemälde von Petrus Cristus, in der Sammlung A. v. Oppenheim zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0089

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181

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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räthe weisen manche Bilder des Schülers hin.
So erscheint also Peter Cristus als ein Nach-
ahmer der Gebr. van Eyck, nicht nur in der
von ihm neuerfundenen Oeltechnik und in ihrem
Bestreben, sich viel reger, als bis dahin üblich
war, an die Natur anzuschliefsen, sondern sogar
bis in die Details ihrer Ausführung, so dafs er
als ein in das Gröbere übertragener Jan van
Eyck bezeichnet werden darf.

Auf dem vorliegenden Bilde, welches 851/i
cm breit, 961/2 cm hoch, früher zur Sammlung
von Sybel in Brüssel gehörte, hat der Künst-
ler, wahrscheinlich im Auftrage der Gold-
schmiedezunft zu Brügge, deren Patron, den
hl. Bischof Eligius dargestellt, aber nicht etwa
in idealisirter Weise als gottbegnadigte Persön-
lichkeit, oder als besonderen Gegenstand der
Verehrung, sondern in der alltäglichen Be-
schäftigung, wie er, umgeben von den Erzeug-
nissen seiner Kunstfertigkeit, hinter seinem Ge-
schäftstische sitzt und seinem praktischen Be-
rufe obliegt. Zu seiner Linken sind auf weifsem
Tuche seine Materialien ausgebreitet und auf-
gehängt: Gold- und Silberstufe, Edelsteine,
Perlen, ein Korallenzweig, und mehrere fertige
Arbeiten aufgestellt: Ringe, Broschen, Schnalle,
ein Becher, eine Kustodia, oben zwei Silber-
kannen und ein Pokal, eine erlesene Auswahl
vornehmer Gegenstände, die durch Form und
Farbe bestechend wirken. Darunter reflektirt
ein Rundspiegel die Strafsenansicht, verschie-
dene Häuser, vor denen zwei Edelleute einher-
schreiten, der eine mit einem Falken auf der
Hand. Zur Rechten des Heiligen, der mit
rothem Rock und violetter, goldumstrahlter
Mütze bekleidet ist, erscheint ein Brautpaar,
welches offenbar gekommen ist, die Trauringe
auszuwählen, und vor dessen Augen der Heilige
den Reifen gerade in die Wagschale legen will,
angesichts des zur Benutzung bereits aufge-
klappten Gewichtssatzes. Das Haupt des ernst
aber milde aufschauenden Heiligen ist nur wenig
seitwärts gewendet, während die Braut, mit
der Linken lebhaft gestikulirend, zu ihm redet.
Sie trägt ein prachtvolles schwarz-gelbes Bro-
katgewand mit grofser Granatapfelmusterung
und einer gold- und perlenbestickten Haube
mit weifsem steifem Schleier, sonst aber keinen
Schmuck. Ihr schwarz gekleideter Bräutigam,
der sie mit der Rechten umfängt, mit der Linken
den Schwerlgriff fafst, am Hute eine Agraffe,
auf der Brust den Orden vom goldenen Vliefs

trägt, schaut dem Handel mit sanfter, sinniger
Miene zu. So erscheint das vornehme, lieb-
liche Paar, welches offenbar der Natur nach-
gebildet ist, vortrefflich individualisirt, der
Glanzpunkt des ganzen Bildes, wie in der
Zeichnung und Charakterisirung, so in der Farbe.
So sehr aber auch der Künstler beflissen war,
Alles aufs treueste wiederzugeben und aufs
reichste auszustatten, so korrekt auch die Ein-
zelheiten und so bestechend auch die Gesammt-
wirkung sind, es läfst sich doch nicht ver-
kennen, dafs sein Lehrer Jan van Eyck durch
malerische Gruppirung und farbige Effekte, na-
mentlich durch lebhafteres, wärmeres Kolorit
und leuchtendere Karhation noch mehr Licht,
Leben, Bewegung in die ganze anmuthige Szene
gebracht, sie noch wesentlich verfeinert und
vervollkommnet haben würde.

Ueber die malerische Bedeutung reicht noch
hinaus der Werth, welchen das Gemälde in
kunstgeschichtlicher Beziehung hat, insoweit es
als eines der frühesten und besten Erzeugnisse
der religiösen Genremalerei erscheint, als eine
der ersten und edelsten Verschmelzungen von
Devotions- und Porträt-Bild. In ein solches
Bild gehörten auch die kleinen örtlichen und
sachlichen Beigaben, mit denen es so ver-
schwenderisch ausgestattet ist, denn, obgleich
ihnen an sich keine besondere Bedeutung zu-
kommt und die Darstellung als solche durch
sie nicht gerade gehoben und verklärt wird,
so tragen sie doch wesentlich zur Stimmung,
zur Förderung jenes gemüthvollen, idyllischen
Eindruckes bei, den der Künstler in sein Pro-
gramm mit aufgenommen hatte, wohl wissend,
dafs gerade darin ein Theil seiner Stärke be-
ruhe. Die altvlämischen Meister, aus dem
Streben nach treuester Wiedergabe der Natur
herausgewachsen und doch von den idealsten
Bestrebungen beseelt, mufsten den Beleuch-
tungseffekten, den stofflichen Wirkungen, den
farblichen Reizen ihre Aufmerksamkeit in be-
sonderem Mafse zuwenden, so lange der grofse
Geschichtsstil sich ihnen noch nicht geoffenbart
hatte; und mit wahrem Entzücken verweilen wir
bei ihren tiefempfundenen Gebilden, mit Genufs
uns versenkend in all' die liebevoll ausgesuchten
und behandelten Einzelheiten, mit denen sie auch
das Göttliche in den Bereich des Menschlichen,
das Heilige in den Kreis des Profanen zu ver-
setzen vermögen, um uns ihm näher zu bringen,
uns zu ihm zu erheben. Schnutgen.
 
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