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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Beissel, Stephan: Ein Plan für die Malereien in den Fenstern und auf den Wandflächen der Herz Jesu Kirche zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0112

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171

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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einer das Talent vergräbt, während die beiden
anderen Handel treiben, dann, wie der Herr
Rechenschaft fordert und dabei einen Knecht
ins Gefängnifs abführen läfst (Matth. 25, 14 f.).
Das mittlere Fenster, dasjenige des Thurmes,
wird, wenn es vom Mittelschiff aus sichtbar
ist, den Weltenrichter zwischen Maria und Jo-
hannes d. T. zeigen.

VI. Es bleiben noch die kleinen Fenster
der Nischen zwischen den Strebepfeilern der
Schiffe, je zweimal vier auf jeder Seite, von
denen jedoch eines verblendet ist. Sie sind so
klein, dafs sie nur für eine Figur Platz bieten.

So wird man in sie am bequemsten die
göttlichen Tugenden und die Kardinaltugend
stellen mit den entgegengesetzten Lastern:
la.Glaube, Ib.Unglaube (dieSynagoge), 2a.Hoff-
nung, 2 b. Verzweifelung, 3a. Liebe zu Gott,
3 b. Liebe zur Welt, 4 a. Nächstenliebe, und in
4b, einem Blendfenster, Habsucht. Auf die
andere Seite kommen dann: 9a. Klugheit,
9b. Thorheit, Dixit insipiens in corde suo:
Non est Deus (Ps. 13, 1), 10 a. Starkmuth,
10b. Trägheit, IIa. Gerechtigkeit, IIb. Unge-
rechtigkeit (Pilatus), 12a. Mäfsigkeit, 12b. Un-
mäfsigkeit. Giotto hat in der Kapelle der
Arena zu Padua für die Darstellung dieser Per-
sonifikationen treffliche Vorbilder geliefert, bei
deren Benutzung es leicht wird, ebenso geist-
reiche als verständliche Bilder zu erhalten. Für
die Kardinaltugenden hat das Mittelalter
die trefflichsten Personifikationen festgestellt.
Der Klugheit gab es, den Worten des Herrn
entsprechend, • eine Schlange (Matth. 10, 16).
Weil diese Tugend die rechten Mittel oder
Wege zum Ziele zeigt, kann sie einen Kompass
halten. Die Starkmuth tritt stets in ritterlicher
Rüstung auf; sie trägt einen Thurm, aus dem
sie einen kleinen Drachen hervorzieht. Die
Gerechtigkeit wird ihre Wage zeigen und auf
Gesetzesbücher hinweisen. Die Mäfsigkeit giefst
Wasser in Wein. Weil sie auf dem Mittelweg
bleibt, mag sie auch einen Pferdezaum vor-
weisen, womit man das Pferd so regiert, dafs
es auf der Strafse richtig voraneile. Um allen
zu dienen, wird man unter jede Figur den
Namen in deutscher Sprache und in leserlichen
Buchstaben schreiben.

Prüft man den ganzen Cyklus, so wird man
finden, dafs das A. und N. Testament, sowie
die Kirchengeschichte ausreichend verwerthet

sind, dafs historische Bilder mit Symbolen
wechseln. Einheit des Planes ist so weit ge-
wahrt, dafs kein langweiliges Einerlei entsteht.
Auch hinsichtlich der Kompositionen ist Wechsel
geboten, indem hier Einzelfiguren, dort Gruppen-
bilder uns entgegentreten. Der Beschauer wird
immer etwas Neues finden; er kann nicht, wie
z. B. bei einem Cyklus der Geheimnisse des
Rosenkranzes, oder der vierzehn Stationen nach
dem ersten Bilde schon wissen, was folgt bis
zum letzten.

Bei der Ausführung wird jedes Thema in
möglichst wenigen, aber scharf charakterisirten
Figuren in stilvoller Zeichnung zu geben sein.
Wo der Heiland auftritt als Lehrer oder Wunder-
thäter, begleiten ihn, wie in S. Apollinare nuovo
zu Ravenna, nicht zwölf, sondern zwei bis drei
Apostel. Bei der Farbengebung ist die Haupt-
figur auch koloristisch zu betonen; die Szenen
des unteren Theiles, welche Vorbilder oder Er-
eignisse aus der Kirchengeschichte geben, soll-
ten, wo möglich, auch in der Farbe vor dem
Hauptbilde etwas zurücktreten.

Die Ausführung dieses Planes wird grofse
Mittel fordern. Wenn man aber schrittweise
vorangeht und sich nicht beeilt (warum sollen
denn nicht fünfzig, ja hundert Jahre bis zur
Vollendung verfliefsen dürfen), wird man zu-
letzt ein schönes Werk geschaffen haben. Die
einfache Verglasung darf ja so lange verbleiben,
bis eine bessere bezahlt werden kann. Man
soll auch nicht minderwerthige Glasgemälde
hinsetzen, um rascher fertig zu werden. Durch
„Eile mit Weile" hat das Mittelalter seine Dome
gebaut, ausgestattet und gefördert. Späte Jahr-
hunderte haben sie vollendet, manche müssen
wir erst jetzt fertig stellen. Aber durch dies
System langsamen Schaffens sind Riesenwerke
emporgewachsen, welche eine überhastete Bau-
führung nicht einmal zu planen gewagt hätte.
Was drängt denn heute zur Eile? Nur zu oft
die kindische Sucht oder gar die Eitelkeit eines
Mannes, der alles fertig gemacht haben will.
Er meint, das Werk sei vollendet. Nicht selten
mufs sein Nachfolger fast von vorne anfangen,
weil bei der Hast des Schaffens und der Karg-
heit der Mittel nur Minderwerthiges geliefert
wurde. Hätte der Vorgänger nur ein Viertel
vollendet, dies aber in vorzüglicher Technik
von trefflichen Meistern ausführen lassen, er
hätte mehr gethan. Steph. Beissel S. J.
 
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