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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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herrscht hatte, bemächtigte sich der neuerstandenen
Technik, von der eine aus einer Menge ausgewählte
kleine Anzahl von Ornaten Zeugnifs ablegt, ohne dafs sie
aber in allerweg ganz auf der Höhe der Leistungen von
Gotzes stehen. Dieser hat in seiner kleinen Vitrine,
deren Dimensionen mindestens um das Zehnfache zu
erweitern wären, wenn sie alle seine Produkte hätte
aufnehmen sollen, eine musterhafte Zusammenstellung
von zum Theil für diesen Zweck eigens angefertigten
Brokaten und Borten veranstaltet, von denen einzelnen
an der Vollkommenheit ihrer Vorbilder nicht das Ge-
ringste fehlt. Der Sammetbrokat mit Goldgrund,
Frise-Gold und Sammetflur in zwei Höhen an dem
Chormantel ist einem alten Muster höchster Vollen-
dung wörtlich entlehnt, und der gewebte durch
Stickerei ergänzte Chorkappenschild mit der Darstel-
lung der Verkündigung ist einem alten, hier abbild-
lich wiedergegebenen Exemplar nachgebildet,
welches als der glänzendste Beleg für die Geschick-
lichkeit bezeichnet werden darf, mit der die alten
kölnischen Bortenwirker diese schwierige Aufgabe zu
lösen verstanden. Aufser dem Gold sind acht ver-
schiedene Farben eingewebt und die reich angewendete
Stickerei vereinigt sie zum herrlichsten Gesammtbilde.
Nicht ganz wird es von der Kopie erreicht, (obwohl
diese nicht, wie jenes, aus zwei Stücken zusammen-
gesetzt, sondern ohne Naht gewebt ist), vielleicht in
Folge der Schnelligkeit, mit der die Stickerin ihren
Dienst wahrnehmen mufste. Hiervon wie von einem
technisch eng verwandten Chormantelstabe aus Xanten,
der daneben hing, wird ein Farbendruck vorbereitet,
der unseren Lesern hoffentlich im nächsten Jahrgang
von diesen seltenen Zierstücken eine ganz befriedigende
Reproduktion zu bieten vermag.

Von den gestickten Fahnen, welche von den kirch-
lichen Vereinen in zunehmendem Mafse und mit stei-
genden Opfern begehrt werden, erreicht zwar keine
das im IV. Hefte dieses Jahrgangs auf Tafel I ab-
gebildete, Sp. 97—108 beschriebene Exemplar, aber
die beiden von Stummel besorgten Banner und die
nach seinen Zeichnungen im Geschäft von van den
Wyenbergh in Kevelaer ausgeführten Kreuzfahnen ver-
dienen Beachtung. Die grofsen Inschriftstreifen sind für
die zumeist an bekannte Darstellungen erinnernden,
farblich fast zu kühnen Figuren dankbare dekora-
tive Beigaben bezw. Einfassungen. Den von Fräulein
Helene Faessen in Geldern und Frau Fossen
in Krefeld gelieferten Stickereien soll in Bezug auf
die technische Behandlung gewisse Anerkennung
nicht versagt sein. — Der mehrfach begegnende
Versuch, gestanzte Metallappliquen sogen. Pailletten,
welche das XIV. Jahrh. namentlich in Norddeutschland
zur Hebung kirchlicher Stickereien mit Vorliebe ver-
wandte, wieder einzuführen, ist nur deswegen als nicht
ganz gelungen zu bezeichnen, weil sie theilweise zu
derb, auch meistens zu kleinen Gegenständen, wie
Ciborienmäntelchen und Bursen aufgenöthigt sind und
ohne hinreichende Einfassung, sodafs sie durchweg
als zu isolirt erscheinen. Für gröfsere Behänge und
in organischer Anordnung soll diese wirkungsvolle
Verzierungsart gewifs nicht beanstandet und das Ver-
dienst, auf sie zurückgegriffen und zu ihr Anleitung
gegeben zu haben, nicht verkümmert werden.

Mögen die im Ganzen glänzend bewährten Ver-
suche der modernen Krefelder Industrie, auf dem
Gebiete der kirchlichen Weberei in Bezug auf Würde
und Schönheit der Muster, Richtigkeit und Harmonie
der Farben, Solidität und Sauberkeit der Bindung die
allerbesten Erzeugnisse des Mittelalters im engsten
Anschlüsse an deren Eigenart zu erreichen, die An-
erkennung finden, die sie mehr als alle sonstigen
Stoffe, die französischen nicht ausgenommen, ver-
dienen ! Mögen aber auch die geistlichen Herren
und Kirchenvorstände, besonders auch die um diesen
liturgischen Apparat vielfach besorgten Mitglieder der
Paramentenvereine endlich aufhören, aus total mifs-
verstandener Sparsamkeit und noch gröiserer Unkennt-
nifs der von dem Heiligthum gestellten eigenartigen
Anforderungen, aus den unlauteren Quellen zu
schöpfen, als welche die sogenannten Kunstan-
stalten vielfach zu betrachten sind, die für diese
soliden Produkte keine Propaganda machen, weil
von ihnen, trotz der viel höheren Preise, nur ein
geringer Bruchtheil von dem zu erndten ist, was
die fremdländische Waare abwirft! — Den Krefelder
Fabrikanten bleibt zumeist nichts Anderes übrig,
als für ihre Produkte auch den Detailverkauf sel-
ber zu betreiben, wenn dieselben überhaupt in
den kirchlichen Gebrauch weitere Aufnahme finden
sollen.

Wenn wir noch einen kurzen Blick auf die übrigen
Gruppen der Ausstellung werfen sollen, die haupt-
sächlich die kirchliche Plastik und Malerei, Gold-
und Eisenschmiedekunst umfafsten, so werden wir
uns zunächst klar machen müssen, dafs die für die
Pflege dieser Zweige berufenen Künstler das vorbild-
liche Material weder so leicht zur Hand, noch so
unmittelbar zur Verwendung haben, wie die Kunst-
weber. Freilich müssen auch diese aus der grofsen
Anzahl alter Vorlagen die besten und damit die brauch-
barsten herauszugreifen, ihre Vorzüge zu erkennen, und
nachzubilden vermögen, aber damit sind auch die
Anforderungen, die an sie ergehen, so ziemlich er-
schöpft; die Applikation auf den gegebenen Fall,
also der eigentliche Entwurf macht dann keine weiteren
Schwierigkeiten. Anders bei den anderen Künstlern,
die den Vorbilderschatz nicht blofs zu erspähen, zu
prüfen und durchzuarbeiten, sondern in sich aufzu-
nehmen und zu verarbeiten haben, denn die meisten
Aufgaben die ihnen gestellt werden, beziehen sich,
etwa mit Ausnahme manchen Geräthes, auf eigenartige
räumliche und sonstige Verhältnisse, für welche ein-
fache Nachahmungen nur in seltenen Fällen als be-
friedigende Lösung gelten könnten. Die Beherrschung
der alten Formen und zwar derjenigen, die der ge-
gebene Fall verlangt, nicht nur der figuralen, sondern
ebenso sehr der architektonischen und ornamentalen,
mufs dem Künstler eigen sein und genaue Kenntnil's
der Technik hinzukommen. Von diesen beiden Grund-
erfordernissen gibt es keinen Dispens, sodafs, wer die
erste besitzt ohne die zweite, was selten der Fall,
ebenso unbrauchbar ist, wie derjenige, der über die
zweite verfügt, aber nicht über die erste, was leider
öfters begegnet, auch auf unserer Ausstellung, aber
durch richtige Anleitung und flcilsiges Studium über-
wunden werden kann.
 
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