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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schnütgen, Alexander: Neuentdecktes Sassanidengewebe in St. Kunibert zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0146

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1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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gebildeten Kranze mit innerer Perlschnur- und
äufserer Flechtband - Umsäumung eingefafst
wird. Auch in ihm ist die Mitte, die hori-
zontale wie die vertikale, durch ein kreuz-
förmiges Ornament mit herzförmigen Zwickel-
verzierungen betont.

Fast unmittelbar berühren sich diese grofsen
Medaillons, deren weitgespannte Zwickel durch
eine sehr reiche Ranken- und Blattrosette aus-
gefüllt sind; Der achteckige Stern, aus dem
diese kühn geworfenen Blattve'rschlingungen sich
entwickeln, umschliefst ein von einem Herz-
band umgebenes Medaillon, dessen Mitte un-
mittelbar an die Webekante anstiefs, so dafs
also an der Vollständigkeit des Musters fast
nichts fehlt.

Die Grundfarbe des geköperten, doppelt-
gefärbten Purpurgewebes ist dunkelblau, die
meisten Figuren und Ornamente haben hell-
gelben, mehrere einen hellröthlich-bräunlichen
Ton und nur ganz vereinzelt zeigt sich an den
Blattumrandungen eine mattgrünliche Färbung.
Die überall scharf markirten, daher die Zeich-
nung auf's bestimmteste heraushebenden Kon-
turen zeigen nur die blaue Grundfarbe, und
durch die Geschicklichkeit, mit welcher der
gelbe und röthlich-braune Ton abwechseln,
wird trotz der Spärlichkeit der Farben eine
reiche koloristische Wirkung hervorgerufen. Sehr
augenfällig ist daher die abweichende Färbung
des in der Zeichnung ungemein ähnlichen Mai-
länder Gewebes, welches die Ornamente und
Figuren zumeist in weifslichen, zum Theil in
hellrother Farbe auf grünem Grunde zeigt. Um
so frappanter aber ist die koloristische Ver-
wandtschaft mit dem Berliner Stoff, dem fast
dieselbe Farbenzusammenstellung eignet, indefs
das in St. Ursula zu Köln aufbewahrte Fragment
zwar denselben Grundton führt, aber ein weniger
intensives Gelb, dagegen ein viel lebhafteres
Roth und auch ein bestimmteres Grün.

Würden für die Bestimmung der Heimath
unseres Stoffes nur seine stilistischen Eigenschaf-
ten in Frage kommen, so könnte wohl ebenso-
gut an Byzanz wie an Persien gedacht werden.
Auch die Wahl der Farben würde Byzanz,
welches die satten blauen und rothen Töne
liebte, eher ein- als ausschliefsen. Da aber der
grüne Grundton des Mailänder Gewebes, mit
welchem das unserige wegen der Uebereinstim-

mung in der Zeichnung doch wohl den Ursprung
theilt, von Byzanz wegweist, so wird dieser Wink
um so mehr Beachtung verdienen, als auch die
ganze Darstellung, einschliefslich des dieselbe
beherrschenden Palmbaumes, also die ikono-
graphische Behandlung, mit der byzantinischen
Eigenart nicht recht vereinbar erscheint. Ihr
entspricht nicht recht die Palme, die vielmehr
auf den eigentlichen Orient hinweist; auch die
Bogenschützen und Cirkusjäger passen mehr in
den persischen Bilderkreis, als in den byzan-
tinischen, der die feierlichen Repräsentations-
szenen, wie Opfer, Direktion der Spiele, Qua-
driga bevorzugte. Auf persische Traditionen
weisen auch das monumentale Beiwerk zurück,
namentlich in den wilden Ausläufern der Zwickel-
rosette, sowie in der mechanischen Aneinander-
reihung der herzförmigen Blätter, aus denen die
Medaillonumrahmung besteht. Träte uns hier
die Arabeske schon im Stadium der Ausbildung
entgegen, so würde der arabische Einflufs nicht
zu verkennen sein, auf welchen ohnehin die Auf-
merksamkeit hingelenkt werden könnte durch
den Umstand, dafs hier das Recht des Stärkeren,
also die Ethik des Islam, illustriert wird durch
die Vergewaltigung des Pferdes durch den
Löwen, des Löwen durch den Jäger. Da sich aber
von der Arabeske nur die Elemente finden,
so wird von der Annahme arabischer Fabrikation
abgesehen werden müssen, obgleich der Ge-
danke nicht ausgeschlossen ist, dafs zur Zeit,
da dieser Stoff im Sassanidenreiche entstand,
dasselbe bereits in den Besitz der Araber über-
gegangen war, welche ohne Zweifel der per-
sischen Ateliers nach Eroberung des Landes
noch längere Zeit sich bedient haben. Gegen
das Ende der Sassanidenherrschaft, oder kurz
nach ihrer Aufhebung, also im VI. oder VII.
Jahrh. dürfte mithin dieses glänzende Erzeugnifs
der Textilkunst entstanden sein, welches Prof.
Riegl in Wien für den in kunsthistorischer Be-
ziehung wichtigsten Stoff aus dem frühen Mittel-
alter erklärt. — Vielleicht ist er auf den hl. Erz-
bischof Bruno von Köln zurückzuführen, der
(gemäfs Ennen und Eckertz: »Quellen« I, 466)
in seinem 965 zu Compiegne gemachten Testa-
mente für das Grab der hh. Ewaldi in St. Kuni-
bert „pallia tria" bestimmte, von denen 1168
eines in den neuen Schrein des h. Kunibert
gelegt sein könnte. Schnütgen.
 
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