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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schroers, Heinrich: Studien zu Giovanni da Fiesole, [2]
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231

1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

282

sprechender war es, wenn gegen Ausgang des
Jahrhunderts der Florentiner Domenico da Co-
rella ihn auf dieselbe Linie mit Giotto und
Cimabue stellte,7) und Rafaels Vater, Giovanni
Santi, in seiner Reimchronik die italienische
Malerei seines Zeitalters mit Gentile da Fabriano
und Angelico, „dem für das Heilige entflammten
Ordensmanne" beginnen liefs.8)

Das XV. Jahrh. hatte sich bis zum Ende
das lebendige Gefühl für die herrliche Kunst-
entwickelung, die es in sich schlofs, und ihr
allmähliches Werden und Wachsen bewahrt und
darum dem Beato Angelico die gebührende Rolle
zuerkannt. Anders das XVI. Jahrh. Michel
Angelos gewaltiger und gewaltsamer Genius
hatte mit dem Machtworte seiner Kunst die
eigentliche Renaissancezeit beendigt. Seine „ter-
ribiltä", die übermenschlich aufragende Gröfse
scheidet die Epochen. Nach ihm beginnt —
nicht eigentlich er selbst beginnt es — das
Barock, das mit einer stolzen Selbstgerechtigkeit,
wie sie die Kunstgeschichte nicht häufig auf-
zuweisen hat, auf alles Frühere herabsah. Auch
Fiesole verfiel der „massa damnata". Um so
bedeutungsvoller ist es, dafs der Vater der Kunst-
geschichte, Giorgio Vasari, der als ausübender
Künstler selbst dem neuen Geschlechte ganz
angehörte und in dem „göttlichen" Buonarotti
alle Künste gipfeln und auch die Antike über-
troffen sein läfst,9) doch dem leidenschaftslosen
und im Geiste des Mittelalters schaffenden Frate
solches Verständnifs, solche Anerkennung, ja
sogar Bewunderung entgegen bringt. Angelicos
Biographie zeichnet sich durch ungewöhnliche
Wärme und liebevolles Eingehen vor den übrigen
aus. „Höchste und aufserordentliche Begabung",
„ewiger Ruhm in der Welt" wird dem stillen
Künstler zuerkannt.10) Wenn auch Vasari sich
nicht zu einer einheitlichen Würdigung zu er-
heben vermag, so hat er doch bei der Be-
sprechung der einzelnen Werke mit dem Lobe

7) S. V. Marchese »Memorie dei piü insigni
pittori, scultori e architetti domenicani« (Firenze 1845),
I, 226. Eine der späteren Ausgaben des Werkes ist
mir nicht zugänglich. — Vergl. auch die Annalen von
S. Marco aus dem Anfange des XVI. Jahrh.: qui
habebatur pro summo magistro in arte pictoria in
Italia (ib. 449).

8) Herausgegeben von J. D. Passavant »Rafael
von Urbino und sein Vater Giovanni Santi« (Leipzig
1839), I, 472: frate al bene ardente.

9) IV,'13 (Vorrede zum 3. Teil).

10) II, 518.

ehrlicher Begeisterung nicht gekargt. Die para-
diesischen Gestalten mit ihrer überwältigenden
Schönheit haben es ihm angethan. Allerdings
wird man nicht ausser Acht lassen dürfen, dafs
bei diesem Abschnitte Dominikanerhände allem
Anscheine nach mitthätig waren; einige intime
Züge, aber auch anekdotenhaft Ausgeschmücktes
verrathen die klösterliche Ueberlieferung.11) In
den Conventen war natürlich die Verehrung
für den grofsen Sohn des Ordens lebendig ge-
blieben. Indefs auch Männer, die in dem vollen
Strome der neuen Zeit standen, wie der gelehrte
Philologe Borghini in Florenz und Bartolommeo
Gondi hüteten in ihren Sammlungen mit Ehr-
furcht Werke von Angelicos Pinsel.1-) Noch um
die Mitte des Jahrhunderts liefsen die Medici
in ihrem Palaste auf dem Fresko, das den Ahn-
herrn verherrlichen sollte, unter der Schaar der
Gelehrten und Künstler des damaligen Florenz
auch Fiesole darstellen, wie er dem „Vater des
Vaterlandes" ein Gemälde überreicht.13)

Vasari benutzt das Leben des Fra Giovanni
zu einer sehr bemerkenswerthen Auseinander-
setzung über die Darstellung des Heiligen in
der Kunst:14) der malende Mönch scheint ihm
offenbar das Ideal in dieser Hinsicht getroffen
zu haben. Scharf wendet er sich gegen zwei
äufserste Gegensätze. Die einen, zwar durch
Kunst und Begabung hervorragend, malen in
den Kirchen fast ganz nackte Figuren und regen,
weil sie selbst nicht von wirklich religiösem
Geiste durchdrungen sind, nur die niedere Sinn-
lichkeit an. Die andern, in ihrem „geschmack-
losen Eifer", erklären das „Plumpe und Unge-
schickte" für fromm und das sinnlich Schöne
für unzüchtig. Man sieht, wie die schranken-
lose Freiheit der Renaissance einen Rückschlag
herbeiführte, wie aber ängstliche Gemüther sich
nicht der künstlerisch und christlich gleich hoch
stehenden Kunst des Quattrocento und Beato
Angelico zuwenden wollten, sondern der früh-
mittelalterlichen Malerei. Dagegen betont der

n) Marchese »Memorie« I, 119, vergl. 203, ver-
muthet, dafs Vasari von dem Miniaturmaler Fra Eu-
stachio von S. Marco, der ihn auch sonst bei seinem
Werke unterstützte, Beiträge erhalten habe. Auch
Cartier a.a.O. p. 377—379 macht es wahrschein-
lich, dafs Vasari beachtenswerte mündliche Quellen
benutzte.

**) Vasari II, 512.

3) E. Müntz »Les Precurseurs de la Renaissance«
(Paris et Londres 1882) p. 146.

M) II, 518 sg.
 
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