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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Der ehemalige Ciborienaltar im Dom zu Limburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0047

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55

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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Vorbild für etwa zu erbauende Ciborienaltäre
romanischen Stiles, dann sofern sie vielleicht
Anregung und Unterlage für eine Wieder-
herstellung des alten Ciboriums bildet, das
dem herrlichen St. Georgsdom sicher zu weit
größerer Zierde gereichen dürfte als der
moderne romanische Altar. Auf der Skizze
Augeners haben die Säulchen, welche den
Baldachin tragen, Tellerbasen im Sinne der
französischen Frühgotik ohne Eckblätter.
Ihre Kapitale zeigen langstielige Knospen
als Schmuck. Die auf den Kapitalen auf-
steigenden Bogen haben Kleeblattform. Auf
den Flächen der Zwickel ist rechts St. Martinus
zu Roß sitzend und dem Bettler die Hälfte
seines Mantels gebend dargestellt, links St. Georg,
ebenfalls hoch zu Roß, im Kampf mit dem
Drachen. Um Skulpturen dürfte es sich bei
diesen Bildern schwerlich handeln, sondern um
Malereien. Den Abschluß des Baldachins
bildet ein kräftiges, aus Kehle und Viertelstab
als Hauptgliedern bestehendes Gesims. Eine
pyramidenförmige Bedachungfehlt der Augener-
schen Skizze, die zweite und bedeutendste Ab-
weichung von den Angaben in den Annalen
des Vereins für Nassauische Altertumskunde.
Der Baldachin endet vielmehr mit einer Platt-
form. Die Reiterstatue des hl. Georg steht
in der Mitte der Vorderseite und ist über der
rechten Ecke der letzteren von einer knienden
Figur des Donators, über der linken von einer
Burg, dem Limburger Wappen, begleitet. Ob
und inwieweit die Skizze Augeners zuverlässig
ist, namentlich auch hinsichtlich des Mangels
der pyramidalen Bedachung, ließ sich leider
nicht kontrollieren. Man müßte zu dem Ende
die alte Abbildung besitzen, die für sie als
Vorlage diente. Immerhin sollte man bis zum
Erweis des Gegenteils doch wohl annehmen
dürfen, daß die Skizze die Vorlage im wesent-
lichen richtig wiedergibt. Ciborien aus roma-
nischer Zeit und aus der Periode des Über-
gangs sind in Deutschland äußerst selten. Otte
kennt nur das Hamerslebener Ciborium und den
Ciboriumüberbau in der Turmkapelle der ehe-
maligen Prämonstratenserkirche zu Spießkappe
(Reg. Kassel).5) Dazu kommen als weitere
jedoch noch die jüngst veröffentlichten zwei
Ciborien in der Pfarrkirche zu Sillenstede, Amt
Jever (Oldenburg), derbe, schlichte romanische

5) »Kunstarchäologie« (5. Aufl.) S. 138. Das Spieß-
kappeler Ciborium ist näher beschrieben in »Bau-
denkmäler im Regierungsbezirk Kassel« (Kassel 1870)
S. 269.

Gebilde an der östlichen Abschlußwand des
Langhauses rechts und links neben dem Chor-
bogen.6) Alle vier haben eine Plattform als
Abschluß, so daß wir also auch in ihnen eine
gewisse Gewähr für die Zuverlässigkeit der
Skizze Augeners hätten. Überhaupt scheint es,
daß in Deutschland die Ciborien in der Regel
einer pyramidalen Bedachung entbehrten.7;
Wohl die einzigen, die wir mit einer solchen
ausgestattet finden, sind das Ciborium in der
Pfarrkirche zu Werl (Westfalen) und einer der
beiden Ciborienaltäre in den Seitenchörchen
des Domes zu Regensburg. Wie das früh-
gotische Ciborium in der Pfarrkirche zu Münzen-
berg (Großh. Hessen) endete, ist nicht mehr
mit Bestimmtheit festzustellen. Vielleicht, daß
auch dieses ehedem eine Pyramide trug.
Verhältnismäßig zahlreich sind die Altarciborien,
welche sich im Württembergischen erhalten
haben. Sie finden sich auffallenderweise fast
nur im Neckarkreis, jedenfalls nur innerhalb
eines eng umschriebenen Gebietes, so zu
Nußdorf (O.-A. Vaihingen), Hessigheim und
Gemmrigheim (O.-A. Besigheim), Mühlhausen
(O.-A. Cannstatt), Maulbronn, Erdmannsdorf
(O.-A. Marbach), Langenbeutingen (O.-A.
Oehringen), Hohenacker (O.-A. Waiblingen),
Gnadenthal (O.-A. Hall), Michelsberg bei
Gundelsheim (O.-A. Neckarsulm), Eßlingen,
Ditzingen (O.-A. Leonberg) u. a. Fast aus-
nahmslos neben dem Eingang zum Chor
stehend, bald an beiden, bald nur an einer
Seite, zeigen sie alle den gleichen Typus. Ins-
besondere enden alle oben geradlinig, keines
hat pyramidalen Abschluß. Nicht anders ver-
hält es sich mit den übrigen Ciborien auf
deutschem Boden, den drei Ciborien in St.
Stephan zu Wien, den drei in Niedermünster
zu Regensburg und mit vier der Ciborien im Dom
daselbst, dem schönen Ciborium in der Pfarr-
kirche zu Dinkelsbühl u. a. Auch hier überall
eine Plattform, die bei einigen mit einer durch-
brochenen Maßwerkgalerie ausgestattet ist.
Luxemburg. Joseph Braun S. J.

6) »Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums
Oldenburg«, Heft 5 (Oldenburg 1909) S. 265.

7) Natürlich müssen außer Betracht bleiben die
Lettnerciborien, Ausbauten in der Mitte des Lettners,
welche an der Front auf zwei Säulen ruhten und den
vor dem Lettner angebrachten Volksaltar überdachten.

[Der pyramidal geschlossene hohe und reiche spät-
gotische Ciborienaltar in Borken (Westf.), der um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts aus der Stifts-(Pfarr-)
Kirche in die Kapelle des Siechenhauses überlragen
wurde, soll neuerdings auf dem Markte als Gruppen-
Baldachin aufgestellt worden sein.] D. H.
 
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