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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0081

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105

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

hat, auf die Vertreibung böser Geister oder
Dämonen. Darauf zielt auch der Text der
Oration hinaus, die bei der Weihe der fünf
Weihrauchkörner gesprochen wird, die am
Karsamstag in die Osterkerze eingelassen
werden: „sed in quocumque loco ex huius
sanctificationis mysterio aliquid fuerit depor-
tatum, expulsa diabolicae fraudis ne-
quitia, virtus suae maiestatis assistat". „Thura
in sanctuario adolete", schreibt der hl. Ephrem,
„meum autem funus oratione curate". Die
Christen des mozarabischen
oder westgotischen Ritus stellten
Weihrauchbecken in die Gräber
ihrer Toten, um die bösen
Geister zu vertreiben, die bis-
weilen in der Nacht sich
nahten und die Leichen aus
den Gräbern warfen. Eine
Stelle bei Hippolytus könnte
stutzig machen, wo es heisst:
„lugebunt sane ecclesiae luctu
magno, quoniam^ nee oblatio
nee thymiama offertur", aber
hier ist thymiama wohl kaum
etwas weiteres, denn eine
Wiederholung und Steigerung
der „oblatio". Erst der hl.
Basilius sagt 370: „Die Kirchen
sind zerstört durch gottesschän-
derische Hände, die Altäre sind
vernichtet, kein Opfer gibt es
mehr, kein Inzens, noch
einen Raum für den Gottes-
dienst8). Ein weiteres Zeugnis
der frühchristlichen Kirche
scheint gegen unsere Annahme
zu sprechen, der Bericht des
Liber Pontificalis, daß Kon-
stantin der Große der Lateran-
kirche zwei schwere Weih-
rauchbecken gestiftet habe, „ex auro purissimo
pens. libras triginta". Doch die Notizen
des Papstbuches über diese Periode gerade
werden mit vollem Recht ernstlich ange-
zweifelt und können jedenfalls auf Beweis-
kraft Anspruch nicht erheben *). Eine
ganze Reihe der Kirchenschriftsteller sprechen
direkt gegen den Gebrauch des Weihrauches

8) In Gord. mart. hom. XIX.

*) Vgl. Beissel, »Bilder aus der Geschichte der
altchristlichen Kunst und Liturgie in Italien« (Frei-
burg 1899) S. 314 f.

Abb.

beim hl. Opfer. „Wir gehen nicht nach
Arabien, um Weihrauch zu kaufen, wir brauchen
nicht die Warenballen des habgierigen Kauf-
mannes, Gott verlangt von uns nur Lobesopfer."
(August.) „Die Eucharistie ist ein Dankopfer,
bei dem man weder den Duft des Weihrauches,
noch lohende Scheiterhaufen wünscht." (Euse-
bius). Schon der Umstand allein, daß die
Christen der Verfolgungszeit des öfteren ge-
zwungen werden sollten, Weihrauch in die
Opferpfannen der Götterbilder zu streuen,
macht eine Abneigung der
frühchristlichen Kirche gegen
die Verwendung des Weih-
rauches mehr wie wahrschein-
lich. — Bald nach Freigabe
der christlichen Religion mag
dann der ursprünglich heid-
nische Brauch auch in die
christliche Liturgie Eingang ge-
funden haben, und manches
heidnische Opfergerät wurde
kurzerhand für den Gottesdienst
übernommen. Daß dem tat-
sächlich so ist, erweist der große
Pinienzapfen aus Bronze im
Dom zu Aachen, der nichts
weiter als ein heidnisches
Weihrauchgefäß ist, das wahr-
scheinlich aus dem Orient
importiert wurde. Auch der
liturgische Sprachgebrauch weist
darauf, hin. So schreibt noch
ein Zeitgenosse Justins des
Jüngern (1578): Ilicet angelici
pergens ad limina templi . . .
imposuit pia thura
focis . . . Wir haben uns
unter diesem focus nach dem
Texte zweifellos den alten heid-
nischen focus turieremis vor-
zustellen, wie wir ihn in den Plastiken des
Konstantinbogens und der Altäre vorfanden.
Die ältesten im Originale uns überlieferten
Stücke dürften die in den Gräberfeldern
Ägyptens gefundenen Räuchergefäße sein, die
zum größten Teile im Museum zu Kairo auf-
bewahrt werden, in "vielen Exemplaren auch
aus dem Bestände der Sammlungen Bock und
Forrer in die europäischen Museen gewandert
sind6). Neben diesen kommen als Stücke

5) »Catalogue general des antiquites egypt. du Musee
du Caire.« No. 7001—7394 et 8742—9200. Die
 
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