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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0122

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1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

170

acerra, in alten Inventaren vielfach erwähnt
seit dem XV. Jahrh. unter dem Namen navi-
cula oder Schiffchen, welche Bezeichnung sich
bis auf unsere Zeit gehalten hat. Dieser Name
ist so gebräuchlich geworden, und die heute
benutzten Weihrauchbehälter haben so durch-
gängig die Gestalt eines Schiffchens, daß wir
uns kaum noch denken können, daß dieses
liturgische Gefäß jemals eine andere Form ge-
habt haben könnte.
Die alten Schatz-
verzeichnisse nen-
nen acerra oder
incensorium fast
stets zugleich mit
dem Thuribulum.
Wir führten bereits
die Stelle Leon.
Ost. lib. II 98 an,
„thuribula argentea
duo . . . incenso-
rium de argento
unum." Wenn auch
an anderen Stellen
incensorium oder
incensarium zwei-
fellos für Rauchfaß
gebraucht wird, so
geht doch aus den
Stellen, wo sie mit
den zwei Bezeich-
nungen Thuribu-
lum und incenso-
rium sich gegen-
übergestellt wer-
den, hervor, daß
wir, wenigstens in
diesen Fällen, an
unser „Schiffchen"
zu denken haben.
Strzygowsky macht

uns in seinem bereits angezogenen Katalog
der koptischen Altertümer im Museum zu
Kairo mit einer ganz eigenartigen Form solcher
Inzensorien bekannt, mit Streugefäßen.
Danach scheint es, da aus den ersten Jahr-
hunderten andere Weihrauchbehäller m. W.
nicht bekannt geworden sind, daß man in den
ältesten Zeiten den Weihrauch ohne Benutzung
eines Löffelchens direkt in den Feuerbehälter
gestreut hat. Wenn Kraus (a. a. O.) ein
Löffelchen als Schöpfinstrument anspricht, so
kann er dafür einen triftigen Grund nicht an-

führen. Auf den uns erhaltenen älteren Dar-
stellungen, vorerst auf den Bildern der drei
Marien am Grabe, tragen die Frauen neben
dem Thuribulum eine Büchse im Arme; aber
diese als Weihrauchbehälter ohne weiteres
anzusprechen, geht nicht wohl an, da wir bei
der Szene ebensowohl an Salbbüchsen denken
können. Anders ist es, wenn ein und dieselbe
Frau Thuribulum und Büchse trägt, wie es

bei der bereits an-
geführten angel-
sächsischen Minia-
tur der Fall ist81).
Es finden sich
aber auch Darstel-
lungen, die uns
nicht im Zweifel
lassen können, daß
die alte Zeit zur
Aufbewahrung des
Weihrauches sich
der verschieden-
artigsten Behälter
bedient hat. Auf
dem bereits ange-
zogenen römischen
Altar ist ein recht-
eckiges Kästchen
abgebildet, dessen
Deckel offen steht;
die Weihrauch-
körner sieht man
durch die Spalte.
Fast genau dieselbe
Form hat der eben-
falls offenstehende
Weihrauchbehälter
in der Hand des
Engels in S. Marco
Abb XI in Venedig, der auf

seinen Schultern
das Pulpitum trägt; der Deckel ist in der
Gestalt einer Pyramide gebildet. Halten wir
solche Formen fest, die nicht vereinzelt auf-
treten, und bedenken wir dagegen, daß die
eigentliche Navicula erst sehr spät in den
archivalischen Berichten auftritt, so kommen
wir ganz von selbst zu dem Schluß, daß manche
der Kästchen und Büchsen, die wir heute als
Reliquienbehälter und Hostiendosen an-
sprechen, wahrscheinlich zur Aufnahme des

«') Westwood a. a. O. Taf. 46a.
 
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