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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schnütgen, Alexander: Die Sammlung Schnütgen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0139

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Abhandlungen.

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Die Sammlung Schnütgen IV.

(Mit Abbildung 4 — Tafel VII.)

■G.

jf'n den nach vorn, also mit dem Haupt-
blick auf die Westfront des Domes
jf gelegenen, mit Ost- und Südlicht reich-
lichst versorgten, hochgestochenen
Saal, der die ganze Breite des Vorder-
hauses einnimmt, führt eine verhältnis-
mäßig kleine Tür, die von dieser, nur
noch von einer Flügeltür durch-
brochenen Wand ziemlich viel Fläche
übrig läßt, neben der ganz verfügbaren
Nordwand. — Dieser gegenüber hat
der Apparat (im Unterschied von der
sonst über zwei Stunden umfassenden
Expositionsfrist) nur drei Minuten ge-
braucht, um das vorliegende Bild zu
^ / erreichen mit dem Kniestück des Be-
C ' sitzers als Mittelpunkt.

Links, unmittelbar neben der Eingangstür,
schneidet die eine der beiden mit Hund und
Hahn geschmückten Ch orstuhlwangen ab,
die gegen Schluß des XIII. Jahrb., vielleicht in
Aachen, aus dicken Eichenplanken geschnitzt
sind mit ihren charakteristischen Profilen und
Voluten, um vor 35 Jahren zu diesem Sedile
ergänzt zu werden. — Auf ihm stehen mehrere,
in ihrer ursprünglichen Bemalung verharrte
gute Holzfiguren des XIII., XIV., und XV.
Jahrh.: die sitzende romanische Madonna in
der Mitte, zu deren Linken eine hochgotische
Statuette, ein spätgotischer St. Johannes Baptist
und ein etwas älterer Bischof. Nach rechts
bilden einige hochgotische Statuen den Ab-
schluß. Die mit einem geschnittenen Sammet-
stoff des XV. Jahrh. bezogene Rückseite
bildet für mehrere kleine Tafelbilder der Hoch-
und Spätgotik aus Mainz, Westfalen, Holland
den Hintergrund, und auch das Sitzbrett hat
mehrere Figuren aufnehmen müssen in allzu
gedrängter Gruppierung, die auf dem davor-
stehenden Barocktisch fast bis zur Unkennt-
lichkeit sich verdichtet. Eine scharf geschnitzte
Landschaft mit St. Hieronymus um 1500, ein
Leüchterengel mit ausgebreiteten Flügeln, eine
westfälische Madonna kurz nach 1400 mit
einem zum ganz bekleideten Kinde herüber-
gehenden Spruchband, sowie mehrere kleinere

Vesperbilder sind nicht ohne Mühe festzustellen.
Die stark lebensgroße Bischofsfigur, welche
die Ecke markiert und das Bild scheidet, erwarb
ich mit ihrem, St. Johann Baptist darstellenden
Gegenstück vor zirka 15 Jahren zu Sterzing in
Tirol, wo sie unter dem Einfluß von Multscher
entstanden sind, mit Einschluß der glänzenden
Polychromie wohl erhaltene Meisterwerke
dieser erst in den letzten Jahrzehnen hinsicht-
lich ihrer Bedeutung recht erkannten Schule. —
Die darunter nur zum Teil in die Erscheinung
tretende sitzende Madonnenfigur ist hier bereits
(Bd. XXI, Tafel XIV, Abb. 2) abgebildet,
Sp. 354 beschrieben mit der als Abb. 1 figu-
rierenden Madonna auf dem nebenstehenden
(neuen) Stollenschrank, um welche kleinere
Figuren und Krümmen von holzgeschnitzten
Bischofsstäben sich gruppieren. — Zwei mit
kniendem Engel bekrönte bemalte Prozessions-
stangen, wie sie, vom XV. Jahrh. an, überall, '
namentlich aber in Süddeutschland sehr beliebt
waren, flankieren den Schrank als sehr ge-
fällige Dekorationsmittel, die Perspektiven
schaffen, daher für die Aufstellung von Alter-
tümern sich sehr empfehlen. — Die Hände,
die unten aufragen, gehören zu Reliquien-
armen, die in der Sammlung zahlreich vertreten,
in Bd. XXII, Tafel VII teilweise abgebildet,
Sp. 193—196 beschrieben sind. — Auf dem
daneben stehenden Tische (mit seiner neuen
gestickten Decke) liegen als Altertümer nur
zwei verglaste doppelseitige gotische Gemälde:
ein Fahnenwimpel und ein Kalender. Auf
der kölnischen Rokoko-Konsole darüber stehen
in theatralischer Bewegung zwei sehr fein
geschnitzte und bemalte Rokokoengel (wohl
süddeutschen Ursprunges), eine moderne japa-
nische Zellenschmelzvase flankierend. — Die
italienische Leinenstickerei dahinter verbrämt
das neue, in gotischem Stile gehaltene, von
mehreren altkölnischen Tafelgemälden über-
ragte Sofa. Dieses wie die Holzstühle bildeten
die einzigen Gebrauchsmöbel, damit, nach der
Besichtigung der Sammlung, die einzigen Sitz-
gelegenheiten zum Austausch. —- Wenn einige
der hohen Besucher zur Ehrung des Besitzers
hier ihre Porträts zurückzulassen die Güte
hatten, dann mag diese Tafel daran die dank-
bare Erinnerung bewahren! Schnütgen.
 
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