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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Die englischen Alabasteraltäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0167

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239

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

240

Seiten der äußeren Flügel weisen zwei Heilige
mit einer Monstranz bzw. den Schreiber
Theophilus auf, der von dem durch die
hl. Dorothea ihm zugeführten Christkinde ein
Körbchen mit Rosen empfängt. Übrigens
sind die äußeren Flügel eine spätere Zutat.
Ursprünglich war der Schrein in der Mitte
überhöht. Als man aber die äußeren Flügel
hinzufügte, gab man den Seitenteilen des
Schreines und den Flügeln eine zweite Be-
krönung, so daß nun der Aufsatz in gerader
Flucht abschließt5).

In Italien besitzt einen im ganzen ziem-
lich gut erhaltenen Alabasteraufsatz das Museo
Nazionale zu Neapel. Der Schrein enthält
drei Gruppen, eine mittlere überhöhte, die
Kreuzigung, und zwei niedrigere seitliche, die
Kreuztragung und Kreuzabnahme. Geschieden
wird die mittlere von den seitlichen Szenen
durch einen breiten Pfosten, an dem die
Statuetten der Evangelisten, ihr Symbol zu
ihren Füßen, angebracht sind. Den linken
Flügel, vom Beschauer aus gedacht, füllen
die Gefangennehmung und Christus vor Pi-
latus, den rechten die Grablegung und die
Auferstehung. Unter den einzelnen Szenen
steht eine auf dieselben bezügliche und sie
erklärende kurze Inschrift in gothischen Mi-
nuskeln, über ihnen finden sich zierliche,
ä-jour gearbeitete Alabasterbaldachinchen.
Den oberen Abschluß des Schreines wie der
Flügel bildet ein gefälliger Blattkamm, der,
weil aus Alabaster, des größeren Schutzes
halber in eine Art von Rahmen eingefügt ist,
aber nur mehr zum Teil sich erhalten hat.
Die überhöhte Mittelabteilung des Schreines
hatte einst ebenfalls Flügel, wie die noch vor-
handenen Angeln bekunden. Ob auch diese
oberen Flügel Reliefs aufwiesen, oder ob sie
nur Malereien hatten, läßt sich nicht sagen.
Der Aufsatz ist einer der reichsten unter den
noch erhaltenen Retablen mit Alabasterreliefs.

Vier Reliefs in der Galleria des Palazzo
Bianco zu Genua, Trinität, Gruppe von
Bekennern, Gruppe von Aposteln, Maria Schutz-
mantel sind nur Fragmente eines Alabaster-
altares. Vollständig sind die Tafeln einer
Retable zu S. Benedetto a Settimo bei Pisa,
und zwar, wenn wir von der mittleren Gruppe
absehen, samt ihren Alabasterbaldachinchen.

'•) Ich sah den Schrein vor etwa zehn Jahren.
Einige ergänzende Angaben verdanke ich der Güte
des Herrn Kuratus Maköwsky zu Danzig.

Es fehlen sonach fast nur der Schrein, in dem
die Reliefs standen und der gleich dem
Neapolitaner Aufsatz in der Mitte überhöht
war, sowie die Holzfassung der Flügel. Gegen-
wärtig sind die Tafeln an der Front der Hoch-
altarmensa befestigt. Die mittlere, das Haupt-
bild, stellt Maria dar, von Engeln umgeben,
zu Füßen den hl. Apostel Thomas und
St. Franziskus. Links befinden sich, etwas
geringer an Höhe, die Heimsuchung, die Ver-
kündigung und eine Einzelfigur, Johannes der
Täufer, rechts die Geburt, die Darstellung
Christi im Tempel, und zu äußerst wiederum
eine Einzelfigur St. Andreas. Maria Glorie,
Heimsuchung und Geburt füllten den Schrein,
die übrigen Szenen die Flügel, und zwar ent-
sprachen St. Johannes und St. Andreas bei
zusammengeklappten Flügeln der mittleren
Gruppe des Schreines. Die Tafeln gehören
zu den besten ihrer Art, aber auch zu den
ältesten. Komposition und Ausdruck, Haltung
und Behandlung der Gewandung zeigen zwar
Stil, aber noch nicht die Manier der späteren
Zeit, wie z. B. die Reste eines vierten Ala-
basteraltares im Museo Civico zu Ferrara,
sieben Passionsszenen. Dieselben stammen
aus der 1865 geschlossenen Kirche S. Andrea
daselbst und erscheinen jetzt in einen goti-
sierenden Barockrahmen eingelassen. Es
sind die langen, hageren und dürren Gestalten
der Spätzeit, welche uns auf diesen Reliefs
entgegentreten. Die Reihe der Szenen um-
faßt: die Gefangennehmung, die Geißelung,
die Kreuztragung, Christus am Kreuze inmitten
der Schacher, die Abnahme vom Kreuz, das
Begräbnis und die Auferstehung. Die heutige
Anordnung der Szenen, bei welcher die
Kreuzigungsdarstellung die Mitte bildet, ist
ersichtlich die ursprüngliche. Die seitlichen
Reliefs haben alle dieselbe Höhe, das mitt-
lere ist etwas höher als die andern, was
wiederum auf eine Überhöhung der Mitte des
Schreines hinweist6).

Frankreich hat noch zwei Altäre mit den
uns beschäftigenden Alabasterreliefs, bei denen
sich nicht nur das Bildwerk, sondern auch
das Gehäuse erhalten hat. Sie befinden sich
zu Montreal (Yonne) und Ecaquelon (Eure).
Die Tafeln zeigen bei dem ersten dieser beiden
Altäre im Schrein drei, auf den Flügeln je

6) Über die Alabasterreliefs zu Genua, S. Benedetto
a Settimo und Ferrara vgl. L'Acte XHI, (1910),
fasc. 3, 201«.
 
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