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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Die Perugia-Tücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0211

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307

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 10.

308

ums zu Nürnberg nennt die Tücher deutsche
Arbeiten des XV. bis XVI. Jahrh., Dreger
schreibt sie Italien und dem XIV. und XV.
Jahrh. zu, Fischbach nimmt sie wiederum ganz
kritiklos für die deutsche Weberei des XVI.
bis XVII. Jahrh. in Anspruch2). Venturi hält
sie für italienische Arbeiten, führt Technik
und Dekor aber auf deutsche Vorbilder zu-
rück3). Dem allem gegenüber möchte ich vor-
erst zweierlei festgestellt wissen: Der Fundort
der meisten Exemplare ist Italien, speziell
Umbrien, wir finden sie auf einer stattlichen
Reihe umbrischer Bilder als Tischdecken, Hand-
tücher usf., und zwar in ausgesprochener Form
bereits bei Simone
Martini (Messe des hl.
Martinus) im XIV.
Jahrh. Die Annahme
Rocchis, daß Perugia
Anspruch auf die
Fabrikation machen
könne, hat einen guten
Untergrund, wenig-
stens was eine längere
Periode (von ca. 1380 bis 1552)
angeht. Einmal lebt in Perugia
die Tradition fort, daß die im
Jahre 1552 infolge einer großen
Feuersbrunst untergegangene „Bru-
derschaft oder Vereinigung für
Handel und Gewerbe" in Perugia
die Tücher in großen Mengen
hergestellt habe, sodann spricht
eine aus dem Jahre 1482 über-
lieferte Notiz von zwei Tüchern
mit zwei Streifen für einen Altar,
geschmückt mit Drachen und
Löwen „a la Perugina", nach
peruginer Art4). Von den Perugia-Tüchern
unterscheiden sich in Herstellung und Dekor
wesentlich die den Abruzzen zugeschriebenen
Schmuckstreifen; sie sind in viel feinerem
Material hergestellt, die Musterung beschränkt
sich zumeist auf Löwen zwischen Türmen und
Brunnen, die Farbe des Musters ist hellrot.

Abb. I. Sammlung

Rocchi. Ron}.
Anf.d XIV. Jahrh.

mmmm

Abb.

:. Sammlung Rocchi, Rom.
Anf. d. XV. Jahrh.

Abb. 3.

Sizilianische
um 1300.

2) HampeS. 109. — Dreger, «Künstl. Weberei
und Stickerei» (Wien 1904), I, Fig. 160. — Fisch-
bach, «Die wichtigsten Webeornamente», Taf. 150.

3) Venturi, «Storia» V S. 1075.

*) „a due guardanappe, con due verghe per l'altare
maggiore a draghi e leoni di bambagia a la Perugina";
vergl. «Nuovi documenti per la storia dell'arte senese«
pag. 311.

Da die Tücher für kirchlichen oder profanen
Tagesgebrauch gewebt wurden, ist es nicht
zu verwundern, daß uns ältere als solche aus
dem XIV. Jahrh. nur selten erhalten sind.
Fast die einzige Auskunft geben uns die Ge-
mälde der älteren Zeit, auf denen die Tücher
als Tischdecken usf. auftreten. Das Bild des
Simone Martini erwähnten wir bereits. Mir
erscheint es besonders interessant, da das dort
dargestellteAltartuch einen Schmuck aufweist, der
unverkennbar mit dem eines in Sizilien in einer
Altarmensa gefundenen Stückes zusammen
geht, das wir hier abbilden Abb. 3. Bei beiden
dient als Hauptschmuck ein im Profil gegebener
Adler mit erhobenem
Flügel. Der Adlerstoff
scheint sich durch
manche Eigenart als
sizilianisches Landes-
produkt zu erweisen.
Die Kette ist Leinen,
der Schuß Wolle; die
Musterung ist rot, im
Gegensatz zu den
eigentlichen Perugia-Tüchern; die
roten Schußfäden liegen ohne Bin-
dung in der ganzen Breite der
Zeichnung auf dem Grunde. Höchst
bemerkenswert ist die Zeichnung:
der Adler ist hochaufgerichtet und
fällt durch die Länge des Halses
und das schwerfällige Vortreten
des Bauches auf. Solche Adler
fand ich in Menge in Palermo
am Dome, in S. Michele auf dem
Monte Gargano, auf dem Dache
von Maria Maggiore di Siponto
bei Manfredonia und an vielen
alten Bischofsstühlen, die der Glanzzeit
des Sarazenentumes unter Friedrich IL an-
gehören. Getrennt werden die Adler durch
zeichnerisch prächtig stilisierte Bäume, die
auch auf den meisten Perugia-Tüchern des
XIV. Jahrh. auftreten, eine ganz zweifellose Re-
miniszenz an den orientalischen Lebensbaum.
Die Sammlung Rocchi in Rom weist mehrere
Tücher auf, deren Bandschmuck Löwen und
Adler bilden, die an den Lebensbaum gekettet
sind bzw. an den Früchten einer Palmette picken.
Abb. 1 u.4. Daswäre eine Musterung, die immer-
hin nur indirekt über lucchesische Webereien
weg nach Sizilien zeigen würde, kämen nicht
vereinzelt auch Tücher vor, in denen Buch-

Tuch,
 
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