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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Baum, Julius: Die Anlage von Freudenstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0041

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Die Anlage von Freudenstadt. 27

an die Stelle der bisherigen Ziellosigkeit bestimmte Absichten, nämlich einerseits hin-
sichtlich der Einheitlichkeit und Klarheit der räumlichen Dispositionen, anderseits be-
züglich der Reinheit der Einzelformen. Hieraus ergibt sich jene äußerliche Verwandt-
schaft mit den Werken der italienischen Renaissance.

2. Die wichtigsten Schöpfungen Schickhardts, die diesen Stil vertreten, sind das
Kollegium in Mömpelgard (1598 —1602)1; der Neue Bau in Stuttgart (1599—1607),
die Kirche S.Martin in Mömpelgard2 (1601—1607), der Prinzenbau in Stuttgart (begon-
nen 1601), die Kirche in Göppingen (1618 — 1619). Hierzu kommen auf dem Gebiete des
Städtebaues die Wiederherstellungen der Orte Schiltach (1590) und Oppenau (1615), der
Bau der Neustadt in Mömpelgard (1598) und vor allem die Anlage von Freudenstadt (1599).

Unter den erstgenannten Bauten zeigt das Kollegium in Mömpelgard, mit dem
Tübinger Collegium illustre (1588—1593) verglichen, an dem Schickhardt unter seinem
Lehrer Beer baute, schon eine wesentlich strengere, einfachere Anlage der vier Flügel
um einen nahezu quadratischen Hof. Der Stuttgarter Neue Bau ist ganz aus einem
Gusse, ein regelmäßiges rechteckiges Gebäude mit im Innern ungeteilten Geschossen.
Im Erdgeschoß der Marstall mit Kreuzgewölben auf 66 toskanischen Säulen, darüber,
durch zwei Geschosse gehend, ein hoher, heller Festsaal, erleuchtet durch zwei Fenster-
reihen, zu oberst endlich der Saal der Rüstkammer. Das Außere, mit sechseckigen Eck-
türmen auf der einen, Eckrisaliten auf der anderen Langseite und Mittelrisaliten mit
kleinen Giebeln, hat noch die renaissancemäßige Geschoßteilung mit starken Gesimsen und
Pilastergliederung in der üblichen Ordnung, dorisch und rustiziert im unteren, toskanisch
im zweiten, ionisch im dritten, korinthisch im oberen Geschoß. Das Ornament ist reich,
ordnet sich aber der Hauptgliederung unter. Noch großzügiger und einfacher ist die Kirche
von Mömpelgard, die nun schon die Geschoßgliederung zugunsten der großen einen Ord-
nung aufgibt. Ahnlich sollte, wie die Sockelmauern erkennen lassen, der Prinzenbau in
Stuttgart gestaltet werden. Und noch eine Stufe weiter führt die Göppinger Kirche, in
der bereits auf jede Vertikalgliederung verzichtet ist, allerdings, ohne daß dieser Mangel
durch stärkere Verhältniswirkung ausgeglichen wurde. Unverkennbar ist immerhin die
stetige Entwicklung zu größerer Vereinheitlichung. Doch geht diese noch nicht bis
zur Aufgabe des Reihungsprinzipes. Von zentraler Zusammenfassung, Hervorhebung
der Hauptteile auf Kosten der Nebenteile, Brechung des Konturs, Heranziehung des
Schattens zur Steigerung der künstlerischen Wirkung im Sinne des römischen Barocks
ist nicht die Rede. Schickhardt gestaltet, im Gegensatz etwa zu Holl, noch rein nach
Renaissanceprinzipien.

II.

1. Renaissancegemäß sind denn auch die Stadtbauten, insofern als sie an die Stelle
der unregelmäßigen gewundenen Straßen geradlinige, sich rechtwinklig schneidende setzen.
Zwar ist die Geradlinigkeit schon im frühen Mittelalter in Deutschland nicht selten3;
sie dauert ungefähr ebenso lange wie die Monumentalität im Profanbau, geht aber mit

1 Abbildung in Duvernoy, Montbeliard au XVIII«? siecle. Montbeliard 1891, bei Seite 230.

2 Vergl. hierüber des Verfassers Abhandlungen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 11. XI. 1905
und den Württembergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte 1900, S. 114 ff., sowie die Abbildungen
in dem Aufsatze «Beiträge zur Charakterisierung der deutschen Renaissancebaukunst», Zeilschrift für bildende
Kunst 1909, S. 154 f.

3 Für das Folgende ist teilweise A. E. Brinckmann, Platz und Monument, 1908, S. 4 f., 29 ff. zu ver-
gleichen.

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