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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0061

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Literatur.

Kammern abgeteilt sind. Mannigfache Beispiele
sind in Lüneburg und den östlichen Hansestädten
erhalten. Gewisse provinzielle Abweichungen von
dieser Norm (Laubengänge in Münster — Hinter-
häuser in Lübeck) werden festgestellt. An einer
Reihe treffend gewählter Beispiele wird die kon-
tinuierliche Entwickelung dieser primitiven Haus-
anlage in die reichen Formen späterer Wohnungs-
weise illustriert. In Süd- und Mitteldeutschland
tritt frühzeitig das Bestreben auf, durch Einrich-
tung vollständiger Obergeschosse das alte ein-
räumige Haus mehr den Erfordernissen des be-
haglichen Wohnens anzupassen; über der unteren
Halle wird ein selbständiges Obergeschoß, der
«Söller», angelegt. Bei reicheren Anlagen ent-
spricht diesem an der Straße gelegenen Vorder-
hause ein durch einen Hof davon getrenntes
Hinterhaus, für welche Kombination die süd-
deutschen Städte berühmte Muster liefern. Aber
auch den schon sehr komplizierten Hausformen
dieser Art liegt nach Stiehls Ansicht klar ersicht-
lich der Urtyp des altgermanischen einräumigen
Hauses zugrunde. Nur in den äußersten Gebiets-
grenzen des Südens, Südwestens und Südostens
Deutschlands kommen Hausformen vor, die auf
den Einfluß eines ausländischen Typs zurückge-
führt werden müssen, und für die Stiehl als Vor-
bild das Haus der Alpenländer annimmt, das sich
die antike Überlieferung mehrräumiger Anlage —
eben das Kennzeichen dieser erwähnten Formen
— dauernd bewahrt hatte. Der dritte Typus
endlich ist das Ackerbürgerhaus, dessen Raum-
anordnung sich im allgemeinen der der übrigen
Bürgerhäuser anschließt und nur geringfügige
Modifikationen, hervorgerufen durch die Bedürf-
nisse des landwirtschaftlichen Betriebes, jenen
gegenüber aufweist. Mit einer kurzen Betrachtung
der Bathäuser — über welches Kapitel uns Stiehl
bereits 1905 eine schöne Sonderpublikation ge-
schenkt hat1 — sowie der sonstigen öffentlichen
Stadtbauten, der Kauf-, Tanz-, Schul- und Kranken-
häuser schließt dieser erste Teil des Werkes.

Ein zweiter Teil beschäftigt sich mit der
Durchführung des Äußeren; er legt in ge-
schickter Weise der Einteilung des Stoffes die
handwerkliche Scheidung der einzelnen baulichen
Arbeiten zugrunde. Wand2, Wandöffnungen,

1 Vergl. Jahrg. I dieser Zeitschrift, p. 170/1.

2 Dieser Abschnitt enthält S. 225 eine sinneut-

17

Treppen, Dach und Giebel werden systematisch,
unter reichlicher Unterstützung durch Illustrationen,
der Beihe nach besprochen. Eine ergänzende Be-
trachtung der Durchbildung des Innern, der
Decken und Stützen, der Gewölbe, der inneren
Treppen und Ausstattung, folgt in einem dritten
Teile, an den sich anhangsweise noch eine Über-
sicht über die «kleineren Architekturwerke»,
die Brunnen, Denksäulen und Kreuze anschließt.

Diese flüchtige Inhaltsangabe möge lehren,
welch ein Beichtum an wissenschaftlichen Resul-
taten, die durch ein mühevolles, meist auf Aut-
opsie beruhendes Studium gezeitigt sind, in dieser
Arbeit beschlossen liegt. Und doch! Stiehl selbst
räumt es ein, daß er das Thema nicht erschöpft
hat. Die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ist
gerade auf dem Gebiete des Wohnwesens eine so
verwirrend große und von so viel zufälligen Fak-
toren abhängige, daß auch Stiehl fürs erste nicht
mehr geben konnte als eine «Einführung in die
für das Verständnis des Zusammenhanges grund-
legenden Hauptzüge». Aber auch damit ist schon
viel geleistet. Stiehl hat das Fundament gelegt,
auf dem Andere weiterbauen können, und sollte
die spätere Forschung selbst manche seiner in
diesem Buche niedergelegten Schlüsse modifizieren
müssen, so wird die Fülle des von ihm Beob-
achteten und in wissenschaftliches System Ge-
brachten doch immer die Leit- und Richtschnur
bilden für jeden kommenden Geschichtsschreiber
des deutschen Hauses. Dr. Hans Vollmer.

Alt-Heidelberg und sein Schloß. Kul-
lurbilder aus dem Leben der Pfalzgrafen bei Rhein
von Wolfram Waldschmidt. 288 Seiten. 8° mit
113 Abbildungen. Eugen Diederichs in Jena 1909.
Brosch. 5 Mk., geb. 6,50 Mk.

«Nur Wenigen ist es vergönnt, die alte Herr-
lichkeit des Schlosses im Sommernachtstraum zu
erschauen.» In trefflichen Schilderungen sind
hier die Ruinen zu einem lebensvollen Gesamt-
bild ergänzt, das der Phantasie schenkt, was die
rauhe Wirklichkeit versagt. Nach den vielen
Streitschriften über das Heidelberger Schloß stellt
das vorliegende Büchlein (zwar ohne neue For-
scherarbeit!) einen wohltuenden und genußreichen
Ruhepunkt dar, und diese Ruhe sei auch hier
nicht gestört, wenn schon die gelegentliche und

stellende Wörterumstellung; es muß natürlich heißen:
seltener sind blendenartige obere Abschlüsse in den usw.
 
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