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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 8.1943/​1944

DOI article:
Steneberg, Karl Erik: Zur Geschichte des Stockholmer Lochnerharnischs
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.72858#0069
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ZUR GESCHICHTE DES STOCKHOLMER
LOCHNERHARNISCHS')
VON KARL ERIK STENEBERG

Im ersten Jahrgang dieser Zeitschrift hat der Alt-
meister der Waffenkunde, Wendelin Boeheim, die
emaillierte und vergoldete Lochnergarnitur beschrie-
ben, die zu den Prunkstücken der Stockholmer Leib-
rüstkammer zählt (Abb. I, 2, 4). Den Namen ihres
Plattners kennt man, seitdem der frühere Leiter der
Stockholmer Sammlung, C. A. Ossbahr, die Marke
Kunz Lochners neben der Nürnberger Beschau ge-
funden hatte. Der geschickte Dekorateur der Rüstung
ist aber heute nocli unbekannt2). Von ihren früheren
Schicksalen wußte man bisher wenig; der Name des
Bestellers blieb auch unbekannt3). Dem Bau nach ist
die Rüstung etwa 1550—60 verfertigt; festere Anhalts-
punkte hatte man aber nicht außer folgenden: Loch-
ner ist i.J. 1559 nach Polen gereist um seine Forde-
rungen für einige an den König Sigmund August II.
gelieferte Harnische einzutreiben. Da nun später zwi-
schen dem schwedischen Königshause der Wasa und
den Jagellonen enge verwandtschaftliche Beziehun-
gen eintraten — die Gemahlin des schwedischen Kö-
nigs Johans III. war eine Schwester Sigmund
Augusts — hat Baron Rudolf Cederström seinerzeit in
Meinungsaustausch mit polnischen Gelehrten die
Hypothese diskutiert, ob man es hier nicht mit einer
Erbschaft Sigmund Augusts zu tun hätte.
Diese Annahme stützt sich auf verschiedene wei-
tere Tatsachen. Erstens befindet sich ein zur Garnitur
gehöriger Schild in polnischem Besitz (Abb. 3).
Ferner ist auch der Harnisch des polnischen Würden-
trägers, Fürst N. G. Radziwill, teilweise in Wien, von
Lochner geschlagen und auf die gleiche Weise wie
der Stockholmer Harnisch dekoriert. In dieselbe

') Eine Zusammenfassung vom Aufsatz des Verf. in Svenska
Vapenhistoriska Sällskapets Ärsskrift 1940—41, Baron Rudolf
Cederström zum 65jährigen Geburtstag gewidmet, mit wichti-
gen Zusätzen. Dort ausführliche Quellenangaben.

2) Da die Marken nach Herstellung des Dekors geschlagen
sind, wird auch dieser in Nürnberg entstanden sein. — Ein
sehr nahestehendes Maureskenwerk zeigt die Randätzung am
geriefelten Harnisch Maximilians II., Wien A 534. Vgl. B. Tho-

Richtung weist wohl die Tatsache, daß die Stock-
holmer Rüstung früher, jedenfalls im ly.Jhd., mit
einem zum Zaumzeug gehörigen „Kamelschwanz"
vereinigt war, einem Wuntschuck, also jedenfalls
einem osteuropäischen Würdezeichen. Dazu kommt
endlich der Bericht eines dänischen Reisenden, der
bei seinem Besuch von Stockhom 1671 diese Rüstung
gesehen hat und sie ausdrücklich als ein Geschenk
des Königs von Polen an Johan III. bezeichnet.
Leider hat man die schöne Roßstirn mit den für
Lochner charakteristischen Widderhörnern ihres
Wappenschilds beraubt, das uns gewiß vom ursprüng-
lichen Besitzer berichtet hätte. Vom Reichtum der
Rüstkammer Sigmund Augusts — dessen Inventar-
verzeichnisse vergeblich gesucht wurden gibt uns
eine Angabe von 1560 einen Begriff, wonach der
König zum eigenen Gebraucli nicht weniger als
zwanzig Harnische besaß, von denen vier besonders
schöne Arbeit zeigten. Sein Testament spricht 1571
kurzerhand von Mobiliar, Waffen und allerlei
Platten- und Ringpanzerrüstungen — „vna cum
armis, cathafractis, loricis & id genus alijs quo-
cumque modo factis" —, welches unter die drei
Schwestern verteilt werden solle. Es würde an dieser
Stelle zu weit führen, die weitläufigen Erbschafts-
verhandlungeh des schwedischen Königspaars mit
Polen zu schildern, die immerhin schließlich dazu
führten, daß 1578 mit dem Sekretär Laurentius
Rilski eine Anzahl Kostbarkeiten, darunter gewebte
Teppiche, Seidenschabraken und Zaumzeuge nach
Schweden kamen, um in der Kleiderkammer Johans
III. aufbewahrt zu werden. Nach dem Tode der

mas „Die Harnische Maximilians II. von 1550", Ztschr. d.
Deutschen Ver. f. Kunstwissenschaft, 1942. Bd. 9, 91 (be-

sonders am Rundschild, ebenda, S. 135).

3) Das späte 17. Jahrhundert nannte johan III. von Schwe-
den, das 19. der Romantik Christian II. von Dänemark. In
unseren Tagen wurde aus einleuchtenden Datierungsgründen
Erik XIV. von Schweden als Besteller in Vorschlag gebracht.
 
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