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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 8.1943/​1944

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Kalmár, Johannes v.: Zwei Cinquedeen des Quattrocento in ungarischen Museen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.72858#0075
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ZU EI CINQUEDEEN DES QUATTROCENTO
IN UNGARISCHEN MUSEEN
VON JOHANNES V. KALMAR, BUDAPEST

Im XIV. Jahrhundert bildete sich in Italien und
Spanien neben dem Kriegsschwert ein neuer Schwert-
typus, das Kurzschwert, heraus, das für den täglichen
Gebrauch oder zu Luxuszwecken bestimmt, in der
Stadt vom Adeligen und Bürger, auf dem Lande vom
Bauern getragen wurde. Die Form der Klinge war
hier durch praktische Zwecke bedingt. Dem Er-
scheinen der neuen Waffe lag hauptsächlich die Sorge
um die persönliche Sicherheit zugrunde. Die Klinge
dieser Hauswehr war zum bequemen Tragen, kurz
und leicht.
Gegen Ende des XIV.Jahrhunderts entwickelte
sich in dem durch politische Parteiungen zerstückelten
Italien eine merkwürdige Abart dieser Schutzwaffe
heraus, die in der Fachliteratur lange fälschlicher
Weise durch Verwechslung mit einer Stangenwaffe
„Ochsenzunge" genannt wurde.
Diese Nachbildung des spätantiken Parazoniums
tritt zuerst in Venedig und Florenz auf, um sich in
seiner charakteristischen Form in Kürze in ganz Ita-
lien, Frankreich und Burgund zu verbreiten. Gele-
gentlich kommt sie auch in Deutschland vor. Verona
ist im XV.Jahrhundert der hauptsächliche Herstel-
lungsort. Hier und in Venedig wird die Waffe unter
dem Namen Cipquedea (Cinquedita) bekannt. Die
Klinge dieser Waffe (Abb. i) ist nämliche fünf (cin-
que) Finger (dita), also genau handbreit. Wir könn-
ten sie als eine Dolchform ansprechen, wenn nicht
ihr Entwicklungsgang eher in die Richtung der Haus-
wehr wiese. Die Schneiden der dreieckigen Klinge
laufen in gerader Linie der Spitze zu; die Parier-
stange neigt sich in einem parabolischen Bogen zur
Klinge herunter. Der sehr typisch gestaltete Griff
pflegt aus Bein zu sein, mit durchbrochenen Messing-
rosetten verziert. Der pilzförmige Knauf ist gern

ziseliert und mit Messingplättchen umsäumt. In der
Scheide fand oft noch ein kleines Messer (batardeau)
Raum. Die Waffe wurde rechts rückwärts am Gürtel
getragen.
Unsere Studie gilt der Behandlung und Bestim-
mung zweier reicli verzierter Ginquedeen, die sicli in
ungarischen öffentlichen Sammlungen befinden. Die
eine befindet sich im Besitze des Museums in Szom-
bathely im Komitat Vas und ist eine Schenkung
Sefert Paschas1) (Abb. 1). Auf der einen Seite der
Klinge sehen wir Mucius Scaevola, die Hand ins
Feuer haltend (Abb. 3); vor ihm sitzt auf erhöhtem
Thron der Herrscher. Diese Darstellung ist ebenso
wie die anderseitige mit dem Urteil des Paris (Abb. 4)
in Goldtauschierarbeit ausgeführt. Hier stehen die
nackten Göttinnen vor Paris, der im Schatten eines
Baumes sitzt.
Die Cinquedea von Szombathely ist auf Grund
ihrer künstlerischen Motive, der Dekorationstechnik
und des Stils in jene Gruppe einzureihen, welche
Lauts aufgestellt hat2), und auf deren einzelnen
Exemplaren sich die hier gebotenen Darstellungen
wiederholen, wie z. B. der Mucius Scaevola3) auf
der Cinquedea der Armeria Reale in Turin wieder-
kehrt, oder das Urteil des Paris auf dem im Pariser
Musee de l'Armee befindlichen Exemplar4). Die
Cinquedea von Szombathely ist in gutem Zustande
erhalten, sie bildet ein von hervorragendem künst-
lerischem Können zeugendes Denkmal dieser Serie5).
Die Motive dieser Serie sind, wie Lauts feststellt,
der Malerei oder wahrscheinlicher nocli der Gra-
phik des italienischen Quattrocento entnommen.
Die scharfen Schattenkontraste, die fast brutal zu
nennende realistische Formgebung, sowie eine ge-
wisse Trockenheit und Härte der Zeichnung rufen

!) Wilhelm Lipp: Objekte der Renaissancezeit im Ar-
chäologischen Museum des Eisenburger Komitats, Archeologiiai
Ertesitö, Neue Folge Bd. III. 1884. S. 175.
2) Jan Lauts: Eine Gruppe Ferraresischer Cinquedeen aus
dem Ende des 15. Jahrhunderts, ZHWK. N. F. 4, 122.

3) Kat. Angelucci, Heft 6, S. 303.
4) Kat. S. 777.
5) Die Inschrift des Kupfertäfelchens am Griff lautet:
NUNQUAM POTEST NON ESSE VIRTUTI LOCOS.
 
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