EIN WA FFENGESCHICHTLICH WER TVOLLER
GESCHÜTZFUND IM ARMEEMUSEUM VON STOCKHOLM
VON THEODOR JAKOBSSON1)
Seit wann Feuerwaffen verwandt wurden, ist bis-
her nicht einwandfrei ermittelt, geschweige denn,
wer der Erfinder war. Zwar weiß die Überlieferung
zu berichten, die Ehre komme einem deutschen
Mönch, Berthold Schwarz, zu; jedoch „sind in
Deutschland unternommene Versuche, die Pulver-
waffe als deutsche Erfindung nachzuweisen, bisher
nicht überzeugend geglückt. Einer der ersten Vor-
kämpfer für diese Theorie war der hervorragende
deutsche Waffenhistoriker Generalleutnant Bernhard
Rathgen2).
Die Frage wurde 1938 an dieser Stelle erneut
aufgerollt durch einen sehr interessanten Aufsatz
von P. Post, über „die frühste Geschützdarstellung
von etwa 1330"3). Das Interessante für uns in diesem
Aufsatz ist indessen nicht das oben genannte Problem,
zu dem übrigens auch Post keine endgültige, sondern
lediglich berichtigende Stellung einnimmt, als viel-
mehr der Umstand, daß ein Rohr ähnlich wie die um-
strittenen, dort abgebildeten Darstellungen aus zwei
englischen Milemete-Handschriften sich in dem
Armeemuseum in Stockholm befindet4).
Die hier nochmals abgebildeten beiden Minia-
turen aus der Milemete-Handschrift (Abb. 1,2)
waren aucli Rathgen bekannt. Aber entgegen der
geltenden Meinung, daß sie etwa gleichzeitig mit dem
Entstehen der Handschriften 1326—1327 anzusetzen
seien, vertrat er die Ansicht, aus technischen Gründen
müßten sie von einer späteren Hand Ende des 14.
Jahrhunderts hinzugefügt sein. Post ist nun auf Grund
stilgeschichtlicher und waffentechnischer Argumente
in dem genannten Aufsatz der überzeugende Nach-
weis für das frühe Entstehen der beiden Miniaturen
rund um 1330 gelungen, zugleich mit der Behebung
9 Der vorliegende Aufsatz ist die Übersetzung des 1942
in den „Mitteilungen der Vereinigung der Freunde des Armee-
museums" (Bd. V, 20) unter dem Titel: „En vapenhistorisk
dyrgrip i Armemuseum" veröffentlichten Aufsatzes des gleichen
Verfassers mit einigen Kürzungen und wesentlichen Er-
gänzungen.
von Rathgens technischen Bedenken gegen die Fla-
schengeschütze, wie er sie treffend nennt. Wenden
wir uns nun den beiden Geschützdarstellungen zu
(Abb. I, 2). Es handelt sich in beiden Fällen um
Belagerungsgeschütze zum Verfeuern von Pfeilen.
Das Verfeuern von Kugeln ist nach Rathgen erst
seit 1345 nachweisbar. Beim Verschießen von Pfei-
len nimmt Post einen Treibspiegel an, wofür wir
den Beweis in einer arabischen Handschrift mit der
primitiven Darstellung eines Rohrs zum Verfeuern
von Pfeilen, angeblich von 1320, zu erkennen glauben
(Abb. 3).
Rathgens Haupteinwand richtet sich nun gegen
den Bau und die Größe dieser Rohre. Er nahm dabei
an, daß sich entsprechend der bauchigen Gestalt die
Rohre aucli innen zu einem Pulversack erweitern,
und glaubte, daß die Gußtechnik der damaligen
Zeit einer solchen Konstruktion nicht gewachsen
sei. Dagegen macht nun Post geltend, daß freilich
mangels erhaltener gleichzeitiger Exemplare keine
Gewißheit über den inneren Bau bestehe. Aber einen
Anhalt für eine wesentlich andere Konstruktion, als
Rathgen sie annimmt, liefert ihm der Vergleich mit
ganz ähnlich geformten, freilich viel jüngeren ja-
panischen Haubitzen von 1830, die sich jetzt im
Berliner Zeughaus befinden (vgl. ZHWK. N. F. 6,
159, Abb. 4).
Bei diesen Rohren nun ist der Lauf hinten nicht
etwa erweitert, sondern im Gegenteil, er verengt
sich gegen ein Kaliber von 15 cm zu einem Pulver-
sack von 8 cm. Die Verstärkung des Rohrs hinten
dient also durchaus sinnvoll als Materialverstärkung
des Teils, der vom Gasdruck am stärksten bean-
sprucht wird. Die gleiche, wesentlich einfachere
2) Bernhard Rathgen. Das Aufkommen der Pulverwaffe'
Berlin 1928.
3) ZHWK. N. F. 6, 137.
4) Das Rohr ist 1943 dem Staatlichen Historischen Museum
überlassen.
GESCHÜTZFUND IM ARMEEMUSEUM VON STOCKHOLM
VON THEODOR JAKOBSSON1)
Seit wann Feuerwaffen verwandt wurden, ist bis-
her nicht einwandfrei ermittelt, geschweige denn,
wer der Erfinder war. Zwar weiß die Überlieferung
zu berichten, die Ehre komme einem deutschen
Mönch, Berthold Schwarz, zu; jedoch „sind in
Deutschland unternommene Versuche, die Pulver-
waffe als deutsche Erfindung nachzuweisen, bisher
nicht überzeugend geglückt. Einer der ersten Vor-
kämpfer für diese Theorie war der hervorragende
deutsche Waffenhistoriker Generalleutnant Bernhard
Rathgen2).
Die Frage wurde 1938 an dieser Stelle erneut
aufgerollt durch einen sehr interessanten Aufsatz
von P. Post, über „die frühste Geschützdarstellung
von etwa 1330"3). Das Interessante für uns in diesem
Aufsatz ist indessen nicht das oben genannte Problem,
zu dem übrigens auch Post keine endgültige, sondern
lediglich berichtigende Stellung einnimmt, als viel-
mehr der Umstand, daß ein Rohr ähnlich wie die um-
strittenen, dort abgebildeten Darstellungen aus zwei
englischen Milemete-Handschriften sich in dem
Armeemuseum in Stockholm befindet4).
Die hier nochmals abgebildeten beiden Minia-
turen aus der Milemete-Handschrift (Abb. 1,2)
waren aucli Rathgen bekannt. Aber entgegen der
geltenden Meinung, daß sie etwa gleichzeitig mit dem
Entstehen der Handschriften 1326—1327 anzusetzen
seien, vertrat er die Ansicht, aus technischen Gründen
müßten sie von einer späteren Hand Ende des 14.
Jahrhunderts hinzugefügt sein. Post ist nun auf Grund
stilgeschichtlicher und waffentechnischer Argumente
in dem genannten Aufsatz der überzeugende Nach-
weis für das frühe Entstehen der beiden Miniaturen
rund um 1330 gelungen, zugleich mit der Behebung
9 Der vorliegende Aufsatz ist die Übersetzung des 1942
in den „Mitteilungen der Vereinigung der Freunde des Armee-
museums" (Bd. V, 20) unter dem Titel: „En vapenhistorisk
dyrgrip i Armemuseum" veröffentlichten Aufsatzes des gleichen
Verfassers mit einigen Kürzungen und wesentlichen Er-
gänzungen.
von Rathgens technischen Bedenken gegen die Fla-
schengeschütze, wie er sie treffend nennt. Wenden
wir uns nun den beiden Geschützdarstellungen zu
(Abb. I, 2). Es handelt sich in beiden Fällen um
Belagerungsgeschütze zum Verfeuern von Pfeilen.
Das Verfeuern von Kugeln ist nach Rathgen erst
seit 1345 nachweisbar. Beim Verschießen von Pfei-
len nimmt Post einen Treibspiegel an, wofür wir
den Beweis in einer arabischen Handschrift mit der
primitiven Darstellung eines Rohrs zum Verfeuern
von Pfeilen, angeblich von 1320, zu erkennen glauben
(Abb. 3).
Rathgens Haupteinwand richtet sich nun gegen
den Bau und die Größe dieser Rohre. Er nahm dabei
an, daß sich entsprechend der bauchigen Gestalt die
Rohre aucli innen zu einem Pulversack erweitern,
und glaubte, daß die Gußtechnik der damaligen
Zeit einer solchen Konstruktion nicht gewachsen
sei. Dagegen macht nun Post geltend, daß freilich
mangels erhaltener gleichzeitiger Exemplare keine
Gewißheit über den inneren Bau bestehe. Aber einen
Anhalt für eine wesentlich andere Konstruktion, als
Rathgen sie annimmt, liefert ihm der Vergleich mit
ganz ähnlich geformten, freilich viel jüngeren ja-
panischen Haubitzen von 1830, die sich jetzt im
Berliner Zeughaus befinden (vgl. ZHWK. N. F. 6,
159, Abb. 4).
Bei diesen Rohren nun ist der Lauf hinten nicht
etwa erweitert, sondern im Gegenteil, er verengt
sich gegen ein Kaliber von 15 cm zu einem Pulver-
sack von 8 cm. Die Verstärkung des Rohrs hinten
dient also durchaus sinnvoll als Materialverstärkung
des Teils, der vom Gasdruck am stärksten bean-
sprucht wird. Die gleiche, wesentlich einfachere
2) Bernhard Rathgen. Das Aufkommen der Pulverwaffe'
Berlin 1928.
3) ZHWK. N. F. 6, 137.
4) Das Rohr ist 1943 dem Staatlichen Historischen Museum
überlassen.