Sitzungsbericht
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Abb. 2. Gabelförmige Stangenwaffe. 17.Jahrh. 1. Hälfte. Aus Privatbesitz b. Mittenwald.
präge. Die ganze Oberfläche der Helmglocke ist mit kleinen
und großen knopfartigen runden Auftreibungen in dekorativer
Gruppierung übersät. Auf Grund eines ausgebreiteten Ver-
gleichsmaterials, u. a. Bronzestatuetten dänischer Erdfunde,
skandinavische Felsenzeichnungen, Bronzehelme der Villanova-
kultur gelangt Norling zu einer Zeitansetzung ins jüngere
Bronzezeitalter, etwa ins 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrech-
nung. Die im Norden ungewöhnliche Zusammensetzung der
Helmglocke aus zwei miteinander vernieteten Hälften deutet
auf Import aus dem Bereich der Halstatt- oder Villanovakul-
tur, mit dem auch sonst Handelsbeziehungen nachweisbar
sind. Die Duplizität der Helme und die Reste einer Holzplatte,
auf der sie ruhten, machen es wahrscheinlich, daß die Nieder-
legung der Helme kultischen Zwecken diente. Die Helme, die
dank besonders glücklicher Fundumstände und überaus ge-
schickter Instandsetzung in den Werkstätten des National-
museums von Kopenhagen fast völlig ihr ursprüngliches Aus-
sehen wieder gewonnen haben, werden noch Gegenstand einer
größeren dänischen Veröffentlichung sein, zu der die dem Be-
richt des Vortragenden zugrunde liegenden Ausführungen von
Hans Norling den Vorbericht bilden.
2. Herr Post stellte die Bestimmung einer im Lichtbild vor-
geführten gabelförmigen Waffe zur Diskussion, rund 250cm
lang, aus Privatbesitz bei Mittenwald in Oberbayern, wo sie als
Stab des Heiligen Corbinian verehrt wird und brachte folgen-
des, 1930 vom Berliner Zeughaus an den Oberbürgermeister
Dr. Wunder, Pasing, erstattete Gutachten zur Verlesung: „Die
im Foto beigefügte gabelförmige Waffe ist in ganz ähnlicher
Form in der Londoner Waffensammlung im Tower anzutreffen
und wird dort als Kriegsgabel (military fock) bezeichnet, die
im 17. Jahrhundert bei Angriffen gegen Feldbefestigungen zur
Beseitigung von Faschinen pp. diente (vgl. Charles J. Ffoulkes.
Inv. and survey of the armouries of the Tower of London,
1915, Vol. 2, 237. Nr. 856—860). Der kriegerische Zweck der
Mittenwalder Gabel ist indessen angesichts der Verzierungen
der Klinge nicht sehr wahrscheinlich. Namentlich die Belede-
rung des Schaftes nach Art von Sauspießen läßt vermuten, daß
es sich um eine Jagdwaffe handelt, etwa um dem auflaufenden
Großwild, Bären usw. entgegengehalten zu werden." Ferner
lag folgende Meinungsäußerung von Herrn A. Wunder vor:
„Mittenwald, an der südlichen Grenze Bayerns gelegen, ist
eine uralte Siedlung und war einst ein ansehnlicher Stapel-
platz für den Verkehr nach Südtirol und Italien. Bereits 1294
erscheint als erster bürgerlicher Richter Hertwich und unter
den siegelmäßigen Geschlechtern zuerst Chunrad der Friese
1294. Die Chronik des Marktes Mittenwald von J. Baader gibt
auch einen Auszug wieder aus der Musterungsrolle der Mann-
schaften im Gerichte Mittenwald von 1583; hiernach hatten
sich die Pflichtigen, die siegelmäßig waren oder besserem
Stande angehörten, mit Rüstung und allen zugehörigen Weh-
ren einzufinden. Genannt sind neben der Seitenwehr: Hele-
parten, Federspieß und Schlachtschwert.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der Stab als eine der
Ausrüstungswaffen in der Familie sich forterbte und so unserer
Zeit erhalten blieb".
Im anschließenden Meinungsaustausch blieben die Meinun-
gen geteilt, ob es sich um eine Jagd- oder Kriegswaffe, im letz-
teren Falle etwa um ein repräsentatives Rangabzeichen einer
höheren Charge handelt, ähnlich wie beim späteren Sponton.
3. Als zweite Vorlage führte derselbe Herr im Lichtbild eine
runenverzierte Speerspitze vor, die beim Vormarsch der deut-
schen Truppen im Osten wieder aufgefundene Speerspitze
von Kowel. Seinen Ausführungen lag eine eingehende Studie
des Runenforschers Wolfgang Krause zugrunde3). Diese ver-
schollene Speerspitze ist auf Grund von Nachbildungen bereits
seit langem in die Literatur eingeführt. Krauses Nachprüfungen
am nunmehr wieder ans Licht gebrachten und dem „Ahnen-
erbe" überlassenen Original bestätigen die Richtigkeit der bis-
herigen Lesung und Deutung der silbereingelegten Runen-
schrift tilarids, die im Mittelpunkt der Untersuchung steht.
Nach Analogie von Runeninschriften auf anderen Speerspitzen,
so der von Müncheberg ranja = Eroberer, der in die Flucht
schlägt und raunija = Erprober, auf dem Speer von Oevre
Stabu, handelt es sich offenbar um einen Speernamen, in dem
der erfolgreiche Anflug, Angriff zum Ausdruck kommt und den
Krause frei mit „Angriff" übersetzt. Krause glaubt noch eine
zweite, auf der Nachbildung, auf die die Forschung seit 60 Jah-
ren angewiesen war, übersehene „Begriffsrune" am Original
entdeckt zu haben, die die Lanzenspitze als Erbgut kennzeich-
net. Die Datierung der ganzen Gruppe verzierter Speerspitzen
durch Kossinna ins 2. bis 4. Jahrhundert sucht Krause für die
Speerspitze von Kowel unter Berücksichtigung verschiedener
Gesichtspunkte zu verengen und sie zugleich zu lokalisieren.
Danach ist die Lanzenspitze eine Arbeit des Pontusgebiets aus
der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts für einen vornehmen
Goten, dessen Erbe auf einem der Rückwanderungszüge an
die Ostsee in Wolhynien — dort wurde die Spitze 1858bei Kowel
als Einzelfund gefunden —, eine Lanze eingebüßt hat.
Waffenkundlich — so schloß der Vortragende — ist der Ty-
pus der Lanzenspitze wegen seiner Datierbarkeit beachtlich,
lanzettförmig, schlank mit am Hals leicht verengter Tülle und
durchgehendem kräftigem Mittelgrat.
3) Wolfgang Krause: Der Speer von Kowel, ein wiedergefundenes Runendenkmal. Germanien. Monatsheft für Germanenkunde, 1941, 450.
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Abb. 2. Gabelförmige Stangenwaffe. 17.Jahrh. 1. Hälfte. Aus Privatbesitz b. Mittenwald.
präge. Die ganze Oberfläche der Helmglocke ist mit kleinen
und großen knopfartigen runden Auftreibungen in dekorativer
Gruppierung übersät. Auf Grund eines ausgebreiteten Ver-
gleichsmaterials, u. a. Bronzestatuetten dänischer Erdfunde,
skandinavische Felsenzeichnungen, Bronzehelme der Villanova-
kultur gelangt Norling zu einer Zeitansetzung ins jüngere
Bronzezeitalter, etwa ins 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrech-
nung. Die im Norden ungewöhnliche Zusammensetzung der
Helmglocke aus zwei miteinander vernieteten Hälften deutet
auf Import aus dem Bereich der Halstatt- oder Villanovakul-
tur, mit dem auch sonst Handelsbeziehungen nachweisbar
sind. Die Duplizität der Helme und die Reste einer Holzplatte,
auf der sie ruhten, machen es wahrscheinlich, daß die Nieder-
legung der Helme kultischen Zwecken diente. Die Helme, die
dank besonders glücklicher Fundumstände und überaus ge-
schickter Instandsetzung in den Werkstätten des National-
museums von Kopenhagen fast völlig ihr ursprüngliches Aus-
sehen wieder gewonnen haben, werden noch Gegenstand einer
größeren dänischen Veröffentlichung sein, zu der die dem Be-
richt des Vortragenden zugrunde liegenden Ausführungen von
Hans Norling den Vorbericht bilden.
2. Herr Post stellte die Bestimmung einer im Lichtbild vor-
geführten gabelförmigen Waffe zur Diskussion, rund 250cm
lang, aus Privatbesitz bei Mittenwald in Oberbayern, wo sie als
Stab des Heiligen Corbinian verehrt wird und brachte folgen-
des, 1930 vom Berliner Zeughaus an den Oberbürgermeister
Dr. Wunder, Pasing, erstattete Gutachten zur Verlesung: „Die
im Foto beigefügte gabelförmige Waffe ist in ganz ähnlicher
Form in der Londoner Waffensammlung im Tower anzutreffen
und wird dort als Kriegsgabel (military fock) bezeichnet, die
im 17. Jahrhundert bei Angriffen gegen Feldbefestigungen zur
Beseitigung von Faschinen pp. diente (vgl. Charles J. Ffoulkes.
Inv. and survey of the armouries of the Tower of London,
1915, Vol. 2, 237. Nr. 856—860). Der kriegerische Zweck der
Mittenwalder Gabel ist indessen angesichts der Verzierungen
der Klinge nicht sehr wahrscheinlich. Namentlich die Belede-
rung des Schaftes nach Art von Sauspießen läßt vermuten, daß
es sich um eine Jagdwaffe handelt, etwa um dem auflaufenden
Großwild, Bären usw. entgegengehalten zu werden." Ferner
lag folgende Meinungsäußerung von Herrn A. Wunder vor:
„Mittenwald, an der südlichen Grenze Bayerns gelegen, ist
eine uralte Siedlung und war einst ein ansehnlicher Stapel-
platz für den Verkehr nach Südtirol und Italien. Bereits 1294
erscheint als erster bürgerlicher Richter Hertwich und unter
den siegelmäßigen Geschlechtern zuerst Chunrad der Friese
1294. Die Chronik des Marktes Mittenwald von J. Baader gibt
auch einen Auszug wieder aus der Musterungsrolle der Mann-
schaften im Gerichte Mittenwald von 1583; hiernach hatten
sich die Pflichtigen, die siegelmäßig waren oder besserem
Stande angehörten, mit Rüstung und allen zugehörigen Weh-
ren einzufinden. Genannt sind neben der Seitenwehr: Hele-
parten, Federspieß und Schlachtschwert.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der Stab als eine der
Ausrüstungswaffen in der Familie sich forterbte und so unserer
Zeit erhalten blieb".
Im anschließenden Meinungsaustausch blieben die Meinun-
gen geteilt, ob es sich um eine Jagd- oder Kriegswaffe, im letz-
teren Falle etwa um ein repräsentatives Rangabzeichen einer
höheren Charge handelt, ähnlich wie beim späteren Sponton.
3. Als zweite Vorlage führte derselbe Herr im Lichtbild eine
runenverzierte Speerspitze vor, die beim Vormarsch der deut-
schen Truppen im Osten wieder aufgefundene Speerspitze
von Kowel. Seinen Ausführungen lag eine eingehende Studie
des Runenforschers Wolfgang Krause zugrunde3). Diese ver-
schollene Speerspitze ist auf Grund von Nachbildungen bereits
seit langem in die Literatur eingeführt. Krauses Nachprüfungen
am nunmehr wieder ans Licht gebrachten und dem „Ahnen-
erbe" überlassenen Original bestätigen die Richtigkeit der bis-
herigen Lesung und Deutung der silbereingelegten Runen-
schrift tilarids, die im Mittelpunkt der Untersuchung steht.
Nach Analogie von Runeninschriften auf anderen Speerspitzen,
so der von Müncheberg ranja = Eroberer, der in die Flucht
schlägt und raunija = Erprober, auf dem Speer von Oevre
Stabu, handelt es sich offenbar um einen Speernamen, in dem
der erfolgreiche Anflug, Angriff zum Ausdruck kommt und den
Krause frei mit „Angriff" übersetzt. Krause glaubt noch eine
zweite, auf der Nachbildung, auf die die Forschung seit 60 Jah-
ren angewiesen war, übersehene „Begriffsrune" am Original
entdeckt zu haben, die die Lanzenspitze als Erbgut kennzeich-
net. Die Datierung der ganzen Gruppe verzierter Speerspitzen
durch Kossinna ins 2. bis 4. Jahrhundert sucht Krause für die
Speerspitze von Kowel unter Berücksichtigung verschiedener
Gesichtspunkte zu verengen und sie zugleich zu lokalisieren.
Danach ist die Lanzenspitze eine Arbeit des Pontusgebiets aus
der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts für einen vornehmen
Goten, dessen Erbe auf einem der Rückwanderungszüge an
die Ostsee in Wolhynien — dort wurde die Spitze 1858bei Kowel
als Einzelfund gefunden —, eine Lanze eingebüßt hat.
Waffenkundlich — so schloß der Vortragende — ist der Ty-
pus der Lanzenspitze wegen seiner Datierbarkeit beachtlich,
lanzettförmig, schlank mit am Hals leicht verengter Tülle und
durchgehendem kräftigem Mittelgrat.
3) Wolfgang Krause: Der Speer von Kowel, ein wiedergefundenes Runendenkmal. Germanien. Monatsheft für Germanenkunde, 1941, 450.
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