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Heft 3.

Das Buch für Alle.

Wicrc als Maticntsn. - So viele schöne Züge wir
auch aus dem Leben der Thiere schon kennen gelernt haben,
so interessirt uns doch jede neue Erscheinung, die uns einen
tieferen Einblick in deren seelische Entwickelung gewährt. F.
d'Obsonville beobachtete einst in Indien einen Elephanten, der
im Kriege verwundet worden war und darauf alle Tage nach
dem Hospital ging, um dort seins Wunde ärztlich behandeln
zu lassen. Was war das aber für eine Behandlung? Die
Wunde wurde jedesmal ausgebrannt, um in diesem gefähr-
lichen Klima der Eiterung möglichst vorzubeugen. Das Thier
ertrug diese schmerzhafte Behandlung ganz geduldig und ließ
sie täglich wiederholen. Und dabei zeigte es sich gegen den
Chirurgen, der ihm diesen brennenden Schmerz verursachte,
nicht einmal aufgebracht; es begriff offenbar, daß man es
mit ihm gut meine, daß sein Peiniger doch nur sein Freund
und diese Behandlung zu seiner Heilung nöthig sei.
Einen anderen Fall beobachtete man an einem großen
anthropomorphen Affen, dem ein hohl gewordener Eckzahn
furchtbare Schmerzen bereitete. Der herbeigerufene Zahnarzt
wünschte den armen Wicht zu chloroformiren und bis an den
Hals in einen Sack zu stecken. Dies gelang jedoch nur un-
vollkommen. Außer dein Kopfe blieb auch ein Arm frei und

das durchdringende Geschrei, die Gestikulationen und Grimassen
des Patienten störten den Arzt außerordentlich. Doch kaum
hatte er das Geschwür geöffnet, das einen Theil des schmerz-
haften Kiefers einnahm, als sich das Verhalten des Thieres
vollständig änderte; wohlgefällig überließ er sich der Prüfung
seines Mundes, unterwarf sich in aller Ruhe dem Ausziehen
seines kranken Eckzahnes und schließlich noch der Beseitigung
einer Zahnwurzel, ohne daß die Anwendung eines schmerz-
stillenden Mittels nöthig gewesen wäre.
Dieser Fall zeigt uns, daß nicht nur der Mensch Ursache
hat, über Zahnschmerzen zu klagen, sondern daß auch die
Thiere diesem Leiden unterworfen sind. Anderseits wissen mir
aber auch, daß diese Art Leiden gar nicht erst das Erscheinen
des Menschen auf der Welt erwartet haben. Man hat kranke
Zähne von Höhlenbären (1Ir8U8 8ps1üu8) gefunden, der lange
vor unserer Zeit existirts und nur im versteinerten Zustands
angstroffen wird. Welches Wuthgsschrei dieses riesige Thier
aber ausgestaßen haben mag, wenn es von Zahnschmerzen ge-
foltert wurde, vermögen wir nicht zu ahnen.
In einer Katzbalgerei hatte ein Hund das Unglück, bei-
nahe ein Auge zu verlieren; der Augapfel hing aus der Augen-
höhle herab und wurde nur noch lose durch den Sehnerv

und einige Fasern zurückgehalten. Der Thierarzt wollte an-
fangs das verletzte Organ ganz beseitigen; da sich aber das
arme Thier so geduldig zeigte, entschloß er sich, das Auge
wieder an seins frühere Stells zu setzen. Mit behutsamer
Hand ergriff er das Auge und indem er sich in Acht nahm,
die Muskeln zu verdrehen, hob er das obere Augenlid empor
und brachte den Augapfel wieder in seine Höhle; dann sich
nach denr andern Auge richtend, gelang es ihm ohne große
Schwierigkeit, das verletzte in seine natürliche Lage zurückzu
versetzen.
Das festgehaltene Thier stieß nicht einen einzigen Klage-
laut aus. Als aber dis Operation vorüber und der Hund
wieder frei war, nahmen seine Freudenbezeugungsn kein Ende,
indem er bald zu seinem Herrn, bald zu denr Arzte sprang
und ihnen die Hand leckte. Heute ist man nicht im Stande,
von beiden Augen das operirte zu unterscheiden, und niemals
begegnet der Hund dem geschickten Arzte, ohne ihm die leb-
hafteste Zuneigung und Erkenntlichkeit zu offenbaren. L. H.
Pie größte SchneiderwerlittSttc der Welt. — Die könig-
liche Militärmontur-Anstalt: „Royal ^riuy tllotliinF-vspot"
in Pimlico, einer westlichen Vorstadt von London, übertrifft
wohl an Ausdehnung, Arbeitskombination und Leistungsfähig-


Die Ztotnndc im neuen Iteichstagsgehäudc zu Merlin. Originalzeichnung von F. Schürmann. (S. 78)

leit alle zu ähnlichen Bestimmungen je gegründeten Institute
und bekleidet mit ihren Erzeugnissen die Grenzwächter in Ost-
und Wsstindisii, die Londoner Polizei wie jene im Kaffernlande.
Als auf den Schlachtfeldern des Krimkrieges im Jahre 1855
die Energie der englischen Truppen unter dem kläglichen da-
maligen Verpflegungssystem zusammenzubrechen drohte, faßte
die Militärverwaltung den Entschluß, die Anfertigung der
Monturen versuchsweise in die eigene Hand zu nehmen und
die Arbeitsstätten mit allen Vorrichtungen auszustatten, welche
die moderne Technik für Werkstätten dieser Art zur Verfügung
gestellt hat. In einer Ausdehnung von nahe an 200 Nieter
ziehen sich zwei Reihen dreistöckiger Gebäude hin, in denen
die verschiedenartigsten Arbeiten ausgeführt und die fertigen
Vorräthe aufgespeichert werden, welch' letztere aber keineswegs
so enorm sind, als man anzunehmen versucht sein möchte, weil
von dem praktischen Grundsätze ausgegangcn wird, daß durch
lange Lagerung die Haltbarkeit der Stoffe vermindert und
gleichzeitig der Zinsenverlust für das todtliegende Kapital
unnöthiger Weise vermehrt wird, während doch die Arbeits-
kräfte und Maschinen im Stande sind, die größten Bestellungen
in kürzester Zeit zu effektuiren. Wöchentlich werden durch-
schnittlich Il,000, in manchen Jahren wohl auch mehr als
600,000 Stück Röcke angefertigt, von welchen dis billigeren
auf nur 15 Mark (für Fußtruppen), die kostspieligen aber,
wie dis goldverbrämten Galakleidnngen der königlichen Stabs-
trompeter, aus 720 bis 800 Mark zu stehen kommen. Von

Nöcken allein werden in der Anstalt an 200 verschiedene
Sorten angefertigt, mit steter Rücksicht auf die Größenver-
hältnisse. Für die Artillerie z. B. existiren 38 Zuschnitts,
für Linientruppen hingegen nur 20 Mustergrößen, wahrschein-
lich, weil bei der ersteren Truppengattung nicht so viel wie bei
der letzteren auf Gleichförmigkeit der Körperkonstitution ge-
sehen zu werden braucht. Das Zuschneiden der Stoffe — je
30 Stück auf einmal — geschieht mittelst Maschinen, und
für die kaum daumenlangen Tuchabfälle werden durchschnitt-
lich im Jahre nicht weniger als 170,000 Mark erlöst. Die
Totalspesen der Anstalt belaufen sich im Durchschnitt jährlich
auf 45 Millionen Mark. vr. A. B.
Wettcrnich's Sturz. — Am 13. März 1848 gelang es
einer Abordnung von Wiener Bürgern, in die Hofburg zu
gelangen, um den alten Kaiser Ferdinand von den Wünschen
und Forderungen seines Volkes zu unterrichten. Sie wurden
von dem populären Erzherzog Johann empfangen, der ihnen
zur Antwort gab, der Kaiser werde Alles berücksichtigen und
vor allen Dingen den verhaßten Staatskanzler entlassen.
In diesem Augenblicks trat Fürst Metternich durch eine
Seitenthür in den Saal und hörte diese Worte. „Nein,"
sagte er kalt und schneidend, „Metternich tritt nicht ab!"
Aber voll imponirender Würde wiederholte der Erzherzog:
„Wie ich Ihnen schon sagte, meine Herren, Fürst Metternich
tritt ab."
Der bisher allmächtige Minister wandte sich um und ver¬

ließ den Saal, um zur Freude ganz Oesterreichs sofort seine
Entlassung zu nehmen. vr. W.
Die Wohl'gcriichc der alten Egypter. — In der Her-
stellung und Erhaltung von Wohlgerüchen sind die alten Egypter
von Niemandem übertroffen worden. Eine aus einem Königs-
grabe entnommene Alabastervase im Museum von Kairo ent-
hält ein solches Präparat, das noch heute einen kräftigen
Duft ausströmt, obwohl es schon weit über 3000 Jahre alt
ist. —dn—
Ein merl-würdiger Teppich ist derjenige, welcher in dein
„Justirzimmer" der Münze von San Francisco alljährlich
verbrannt wird. Der feine Goldstaub, der immerwährend in
dem Zimmer herumfliegt, setzt sich in solcher Menge in dem
Gewebe fest, daß man im letzten Jahre aus dem vernichteten
Teppich beispielsweise Gold im Werths von circa 2600 Dollars
gewann. —im—
Statistisches. — Ein müßiger Kopf hat ausgerechnet, daß
seit Erfindung der Buchdruckerkunst im Jahre 1440 bis zum
Ende des Jahres 1891 im Ganzen die Anzahl von 3,881,960
Werken gedruckt worden ist. Hierbei sind aber die ver-
schiedenen Auflagen dieser Werke nicht mitgezählt. Ungläu-
bigen rathen wir, diese Angabe auf ihre Richtigkeit zu prüfen;
es wäre ein recht hübscher Zeitvertreib. —du—
 
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