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Heft in. Illnstvir:te Flrmiiien-Deitnng. ^ahrg. im




unter dein fürchterlichen Eindruck ihre Besonnenheit.
Behutsam ließ sic die Schwester niedergleiten. Dann
aber hielt sic nichts wehr. Einer dem Grabe Ent-
stiegcncn ähnlich, eilte sie in den Maschinenraum
hinab. Sie traf früh genug ein, um das kaum
noch verständliche „Mörder" zu vernehmen, mit dein
ihr Gatte den letzten Athein aushauchte. Ich selbst
hatte mich nach der verhängnißvollen Stelle hinüber
begeben. Die Blicke nach unten sendend, wo der ver
stümmelte Körper sich in den letzten Todeszuckungen
wand, überwachte ich eine Scene, die mir abermals
die Sinne zu verwirren drohte, /ch besaß indessen
die Ueberlegung, anstatt meine Anwesenheit zu ver
rathen, darauf zu warten, wie die beiden Verbrecher,
sich selbst von jedem Verdacht entlastend, den Tod Pcr-
kins' erklären würden.
Dionysia stand wie versteinert. Die Hände vor sich
gefaltet, starrte sie regungslos auf den Entseelten. Sein
grauenhaftes Ende erschütterte sie bis zur Empfindungs-
losigkeit. Tiefer noch beugte sic sich unter der Wucht
des Bewußtseins, daß er durch die Hand eines ihm
verwandtschaftlich Nahestehenden mit Bedacht dem Ver-
derben preisgegeben worden.
,Jch warnte ihn schon immer/ erklärte Eenador,

der eben hinzutrat, mit seltsam veränderter Stinune,
.aber er verlachte mich wegen meiner Aengstlichkeit.'
,Du warntest ihn?- fragte Dionysia nunmehr mit
geisterhafter Ruhe, und vielleicht nie in ihrem Leben
offenbarte sich mehr, welche entscheidende Gewalt sie
sogar in den verhüngnißvollsten Lagen über sich selbst
besaß. .Du - - Du warntest ihn?- wiederholte sic
mit einem Blick in seine Augen, der ihn wie ein
elektrischer Schlag durchzitterte.
.Ich warnte ihn/ betheuerte Eenador seltsam über-
stürzt.
.Sogar mehrfach in meiner Gegenwart/ kam Padle-
ton ihm zu Hilfe.
.Und doch ivar sein letztes Wort eine Anklage
gegen Jemand, dessen Namen er mit in den Tod nahm/
versetzte Dionysia, die bis dahin Zeit gefunden hatte,
die Folgen zu erwägen, wenn die Art seines Endes
erwiesen werden sollte.
.Stopp!' rief ich von Grausen geschüttelt und er-
bittert zugleich, in den Maschincnraum hinab, wo das
Schwungrad in seinen Drehungen den Todten noch
immer streifte und der äußerste Rand im ganzen Um-
kreise sich mit Blut färbte.
Die Maschine stand. In Ccnador's Gesicht, eben
noch unter dein vollen Eindruck der mittelbaren
Anklage, leuchtete cs auf, als hätte ein Höllen-
geist ihm Ermuthigungcn zugeraunt. Ich un-
terschied es deutlich, obwohl ich selbst von
unten aus nicht bemerkt werden konnte. Auch
verstand ich, daß er jetzt mit geheimnißvoll
gedämpfter Stimme das Wort Mörder wieder-
holte, wobei er mit dem Finger verstohlen
nach oben wies, also mich als den Thäter
hinstellte.
/Ist das Deine heilige /Überzeugung?'
fragte Dionysia mit einem eigenthümlichen
Ausdruck des Grauens, das sie noch immer
zurückhielt, ihre Aufmerksamkeit den blutigen
Ucberresten des Gatten zuzuwenden.
,Meine heilige Ueberzeugung,' bestätigte
Eenador gedämpft, jedoch nicht leise genug,
daß ich es überhört hätte, und seine Hand
ruhte auf der Stelle seiner Brust, wo das ver-
rottete Herz den Höllentakt zu seiner sata-
nischen Betheuerung schlug, .ich sah längst
voraus, nüe Alles kommen würde.' Dann
folgte Schweigen. Dionnsia's Blicke glichen
funkelnden Messerklingen, nicht minder feind-
selig blitzten die Augen ihres heimlich bebenden
Schwagers. Ich selbst stand wie unter dem
lähmenden Einfluß einer Sinnestäuschung.
Mich eines Mordes angeklagt zu hören, ein
Verdacht, den ich mit Leichtigkeit von mir
abzuwälzen vermochte, erschien mir so unge-
heuerlich, so vernunftwidrig, daß ich es nur
als Ausfluß eines über die eigene Handlung
zum Wahnwitz überreizten Gemüthes deuten
konnte. Und weiter lauschte und beobachtete
ich, ahnungslos, daß unter mir Ausgeburten
der Hölle wirkten, um in ihrer Entfesselung
mich rettungslos in'S Verderben hinab zu
reißen.
,Eenador,' redete Dionysia ihn endlich

Der Talisman.

Roman

Kamakaeha LilluoNUiuii, Königin No» Hnwai. (S. 431)

Balduin Möllhausen.
(Fm-tselsuiiftZ
- (Nachdruck verboten.»
on Schrecken ergriffen richtete ich mich bei
Cenador's Worten höher auf," erzählte
Jonas seinem jungen Freunde weiter,
„was ich dann aber noch zum Theil mit
einem Blick erhaschte, das war so grauen- j
haft, so völlig jedes Maß des Glaub-
lichen, ja, des Möglichen übersteigend, daß
mir der Athem stockte, die Stimme mir
versagte, und mein Körper wie gelähmt war.
Doch auch wenn die Besinnung mich nicht verlassen hätte,
wäre es zum Einschreiten zu spät gewesen, so unerwartet
und schnell war das Fürchterliche geschehen. Wie durch
einen Schleier geblendet, unterschied ich, daß Perkins, !
indem er sich prüfend nach vorn neigte, von
Eenador in das Schwungrad hineingestoßen
worden war, und zwar mit einer so teuf-
lischen Berechnung, daß in demselben Augen
blick eine der breiten Speichen den Unglück-
lichen in s Kreuz traf, gewissermaßen in zwei
Theile zerriß und in den unteren Raum hin-
abschleuderte. Fast ebenso schnell war Cena-
dor nach der Wand hinübergeeilt, hinter der
ich mich verborgen hielt, und nur wenige
Schritte von mir durch cme ähnliche Oeffnung
hinabgesprungen. Daß er mich nicht entdeckte,
erscheint mir heute noch als ein Räthsel, nur
dadurch erklärlich, daß er früh genug bei den
Arbeitern eintreffen wollte, um seine Anwe-
senheit auf dem Sägeboden glaubhaft ableug-
uen zu können.
Der weite Raum lag jetzt, bis auf das
Getöse der Maschine, still. Sekunden dauerte
es indessen noch, bevor die Erstarrung von
Mir wich, und ich die Kraft besaß, mich nach
oben zu schwingen. Mein erster Blick galt der
Schleppkahn. Sie war leer. Dagegen ent-
deckte ich Eenador und Padleton bei den
Arbeitern, wo sie anscheinend verstört nach der
Ursache des entsetzlichen Hilferufs fragten. Es
war ersichtlich, daß sie meine Nähe nicht ahn¬
ten, noch weniger, daß der von Eenador kalt-
blütig begangene Meuchelmord von einem
-Zeugen beobachtet - worden war. Und noch
Kvei Paar Augen hatten mit einem einzigen
ersterbenden Blick die flüchtige Bewegung in
üch ausgenommen, durch welche Ecuador den
Ahnungslosen in den Tod sandte. Die beiden
Schwestern waren es, die, wie so häufig, die
"ach dem Bodenraum hinaufführende Treppe
^stiegen hatten. Lautlos, wie von einem
Blitzstrahl getroffen, war Beatriz in Ohnmacht
gesunken. Dionysia bewahrte dagegen sogar
 
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