«8
Der Hoi.
„So war's nicht gemeint, ihr Bauern," faßte der Franz,
mit schadenfroher Miene; „ich will diesmal die Ochsen Gunzen-
hausen zu treiben, als Pfand, der Markgraf ist gestern dort
eingetroffen; das thut so viel als vier Hirsche sür ihn znm
Schießen, und der Herr Oberamtmann wird auch seine Freude
dran haben."
Es war in jener Zeit wirklich öfter vorgekommen, daß der
Markgraf den Bauern das Vieh in den Wäldern erschaffen
und der alte Graf von P. hatte dem Vieh seiner Bauern,
das er weidend in den Schlägen der Waldungen auf der
Bürsche getroffen, schon öfter die Schwänze bis an die Wurzel
wkggeschnitten. Deffen erinnerten sich die beiden
Nachbarn und gedachten mit Schrecken auch
noch der argen Strafen, die sie treffen würden,
wen» der Franz wirklich Ernst machte. Aber
der Franz rief wieder: „Hoi, hoi!" und trieb
die Ochsen an der Mühle vorüber, der alten
Straße nach Günzenhausen zu. Das durften
die Bauern nicht leiden und sie gingen ihn,
also nach und boten ihm Jeder ein halb Sun-
mer Korn, wenn er die Ochsen da ließe. Aber
der Franz lachte und trieb weiter. Gewalt
gegen ihn brauchen, war nicht rathsam; er
war bewaffnet, und man erzählte sich allerlei
Härten von ihm, die er, ohne bestraft worden
zu sein, begangen hatte, wenn er „wild" gemacht
wurde. Sie boten Jeder noch ein halb Sim-
mer, immer die Schmerkappe noch in der Hand.
Da drehte der Franz sich lachend um und sagte: „Euer
Korn hilft mich nichts und ich habe schon Brod; aber ein
Geld muß ich haben und Euch Bauern verschimmelts. Wenn
Ihr mir nicht Jeder I l>0 Worte bezahlt, so sind Eure Ochsen
Morgen so gut als Scheiben und Ihr könnt Euch eine Zeit
lang die Wände im Erdgeschoß der Frohnvogtei in Gunzen-
hausen besehen, da sticht Euch die Sonne nicht und Ihr habt
Zeit dort zum Wiederkäuen. Hoi, hoi!'' ries er den Ochsen
zu und trieb sie an den Eingang des Hohlwegs.
„Herr Franz! Herr Franz!" — riefen die Dauern, „wir
wollen's bezahlen, wenn es gleich viel ist und wir in Jahr
und Tag den Schaden nicht wieder auswetzen, laß Er uns
nur unsere Ochsen."
„Wenn Jhr's noch heute bezahlt, so will ich's dies Mal
noch sein lassen," brummte er seitwärts, „aber einer von Euch
muß heim und das Geld holen."
Die Bauern mußten in diese harte Buße wohl willigen
und zahlten dem lachenden Franz eine Stunde später nach
unserem Gelde 50 fl., sage fünfzig Gulden auf den Tisch in
der Mühle hin, verfluchten ihn aber und wünschten ihm, daß
er auf ewige Zeiten in diesem Walde ruhelos irren und auch
den spätesten Nachkommen noch ein warnendes Beispiel sein
möge der vergeltenden Gerechtigkeit.
Der Zuleima stiegen die Haare zu Berge, denn sie hatte
den Franz lieb, schon um des Knaben willen, aber der Franz
lachte und strich sich den Beutel voll.
„Noch ein Achtelein Korn," sagte er, „Zulma, das Oferlc
soll bald wieder so kommen."
Noch in derselben Nacht ging er des Weges zurück nach
Jgelsbach. Er kam aber nicht heim. Erst am dritten Tage
darauf fand ihn der Birngrubersmichel mitten im Stangholz
am Teufelsrangen, auf dem Bauche mit umgedrehtem, nach
dem Rücken gekehrten Gesichte, liegen, da, wo er drei Tage
zuvor herunter in's Grundlos gestiegen war. Das Geld hatte
er noch in der Tasche. Seitdem hört man allnächtlich in jenen
Berggegenden, vorzüglich aber um die Zeit des Neumondes,
! denn cs war Neumond, als er die Bauern um die 200 Worte
geprellt, den Ruf: „Hoi, hoi!" und im Volksmunde lebt noch
bis heute die Sage vom Hoi und gar Mancher will ihn im
Stangholze oder in den Schlägen am Teufelsrangen auf
einem Baumstocke sitzen haben sehen, mit großen, gewaltigen
Feueraugen, und rufen haben hören, zur Warnung für Alt
und Jung: „Hoi, hoi!"
G. F. Müller.
Der Hoi.
„So war's nicht gemeint, ihr Bauern," faßte der Franz,
mit schadenfroher Miene; „ich will diesmal die Ochsen Gunzen-
hausen zu treiben, als Pfand, der Markgraf ist gestern dort
eingetroffen; das thut so viel als vier Hirsche sür ihn znm
Schießen, und der Herr Oberamtmann wird auch seine Freude
dran haben."
Es war in jener Zeit wirklich öfter vorgekommen, daß der
Markgraf den Bauern das Vieh in den Wäldern erschaffen
und der alte Graf von P. hatte dem Vieh seiner Bauern,
das er weidend in den Schlägen der Waldungen auf der
Bürsche getroffen, schon öfter die Schwänze bis an die Wurzel
wkggeschnitten. Deffen erinnerten sich die beiden
Nachbarn und gedachten mit Schrecken auch
noch der argen Strafen, die sie treffen würden,
wen» der Franz wirklich Ernst machte. Aber
der Franz rief wieder: „Hoi, hoi!" und trieb
die Ochsen an der Mühle vorüber, der alten
Straße nach Günzenhausen zu. Das durften
die Bauern nicht leiden und sie gingen ihn,
also nach und boten ihm Jeder ein halb Sun-
mer Korn, wenn er die Ochsen da ließe. Aber
der Franz lachte und trieb weiter. Gewalt
gegen ihn brauchen, war nicht rathsam; er
war bewaffnet, und man erzählte sich allerlei
Härten von ihm, die er, ohne bestraft worden
zu sein, begangen hatte, wenn er „wild" gemacht
wurde. Sie boten Jeder noch ein halb Sim-
mer, immer die Schmerkappe noch in der Hand.
Da drehte der Franz sich lachend um und sagte: „Euer
Korn hilft mich nichts und ich habe schon Brod; aber ein
Geld muß ich haben und Euch Bauern verschimmelts. Wenn
Ihr mir nicht Jeder I l>0 Worte bezahlt, so sind Eure Ochsen
Morgen so gut als Scheiben und Ihr könnt Euch eine Zeit
lang die Wände im Erdgeschoß der Frohnvogtei in Gunzen-
hausen besehen, da sticht Euch die Sonne nicht und Ihr habt
Zeit dort zum Wiederkäuen. Hoi, hoi!'' ries er den Ochsen
zu und trieb sie an den Eingang des Hohlwegs.
„Herr Franz! Herr Franz!" — riefen die Dauern, „wir
wollen's bezahlen, wenn es gleich viel ist und wir in Jahr
und Tag den Schaden nicht wieder auswetzen, laß Er uns
nur unsere Ochsen."
„Wenn Jhr's noch heute bezahlt, so will ich's dies Mal
noch sein lassen," brummte er seitwärts, „aber einer von Euch
muß heim und das Geld holen."
Die Bauern mußten in diese harte Buße wohl willigen
und zahlten dem lachenden Franz eine Stunde später nach
unserem Gelde 50 fl., sage fünfzig Gulden auf den Tisch in
der Mühle hin, verfluchten ihn aber und wünschten ihm, daß
er auf ewige Zeiten in diesem Walde ruhelos irren und auch
den spätesten Nachkommen noch ein warnendes Beispiel sein
möge der vergeltenden Gerechtigkeit.
Der Zuleima stiegen die Haare zu Berge, denn sie hatte
den Franz lieb, schon um des Knaben willen, aber der Franz
lachte und strich sich den Beutel voll.
„Noch ein Achtelein Korn," sagte er, „Zulma, das Oferlc
soll bald wieder so kommen."
Noch in derselben Nacht ging er des Weges zurück nach
Jgelsbach. Er kam aber nicht heim. Erst am dritten Tage
darauf fand ihn der Birngrubersmichel mitten im Stangholz
am Teufelsrangen, auf dem Bauche mit umgedrehtem, nach
dem Rücken gekehrten Gesichte, liegen, da, wo er drei Tage
zuvor herunter in's Grundlos gestiegen war. Das Geld hatte
er noch in der Tasche. Seitdem hört man allnächtlich in jenen
Berggegenden, vorzüglich aber um die Zeit des Neumondes,
! denn cs war Neumond, als er die Bauern um die 200 Worte
geprellt, den Ruf: „Hoi, hoi!" und im Volksmunde lebt noch
bis heute die Sage vom Hoi und gar Mancher will ihn im
Stangholze oder in den Schlägen am Teufelsrangen auf
einem Baumstocke sitzen haben sehen, mit großen, gewaltigen
Feueraugen, und rufen haben hören, zur Warnung für Alt
und Jung: „Hoi, hoi!"
G. F. Müller.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Hoi"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Franken (Region)
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 297, S. 68
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg