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Der wohlangesehenen Bü
vergnigt Landsleitc zu sehn, und sagte uns daß heute Abend
bei der Vikthorijan Hofball wäre, wo er uns wollte zum Zu-
sehn auf die Gallerüh bringen. Er ging also mit uns in unser
; Losch», wo wir unsre schwarzen Sonntagsfräcke anzogen und
dann in einem Omnipost bis an das Schlos fuhren, was hier
Ballast Heist. Aber diese Pracht und diesen Luchsus kann sich
gar Niemand nicht einbilden, alles von Gold und Silber.
Christopf nahm uns eine Treppe mit hinauf und sagte, daß
wir hier warten sollten bis er wieder käme, wo er uns dann
auf die Gallerüh führen wollte. Wir warteten eine Viertel-
stunde, noch eine und noch eine, aber Christopf kam nicht
wieder und da wir in einem Nebenzimmer eine Thüre offen
sahen, so gingen wir dreuste darauf zu. Aber kaum hatten wir
den Kobf hineingesteckt, so kam ein feiner Herr auf uns los,
machte ein tiefes Komblümang und winkte uns mitzukommen,
worauf er uns an eine große Thüre brachte. Lehmann fing
* schon wieder an zu zittern, aber ich sagte: „Nur Kuhrasche,
1 Lehmann, es thut uns Niemand nichts nicht man muß in der
! Welt etwas brohbüren." An der ander Thür stand wieder ein
Herr, der wieder einen Bickling machte und mich fragte: Pleasp,
Sir, your name? Da ich heute schon mehrere Male so gefragt
worden war, so wüste ich gleich, daß er meinen Namen wissen
, wollte und antwortete also: Alster Graf aus Pirna (das ist
j nemlich englisch und heißt: Herr Graf Wohlgeboren aus
Pirna!). Nun machte der Herr die Thüre weit auf, schrie
- meinen Namen laut in den Saal und schob uns dann beide
selbst hinein. Aber wie sehr erschracken wir, liebe Anverwand-
j ten u. s. w., als wir mitten in' den Hofball hineinkamen und
an den andern Ende die Königin mit Ihren Herrn Gemal
sitzen sahen. Wir wollten wieder umkehren, aber es ging schon
nicht mehr, denn wir musten an eine lange Reihe hinten an-
, treten, was wir dachten, die Bolenäse sollte angehn. Wir
merkten jedoch bald, daß Jeder mußte der Königin vorgestellt
j werden, was man brösentiren nennt. Jetzt fing ich auch an
' zu zittern, aber Lehmann zitterte noch viel mehr. Wir rickten
immer näher und jetzt standen wir auch am Trohne, da faßte
ich mir aber Muthigkeit, fiel auf ein Kniee und sagte:
„Eure Magehsteht werden recht sehr entschuldigen aber Ihr Herr
Lakeu. der Christopf — " wie ich aber weiter reden wollte fing Printz
Albert firchterlich an zu lachen und Madam Vikthorijan sagte:
ger Lehmann und Graf rc.
„Ah so. Sie sind Deutsche?"
„Nein, entschuldigen Sie." sagte ich, „wir sind aus Pirna
bei Dresden," sagte ich.
Da lachten sie wieder, ich weis aber nicht warum, aber da
ich sah, daß die Königin auch deutsch sprechen konnte, so sagte
ich: „Eure durchleuchtigste Magehsteht," sagte ich, „wir sind
nur aus Versehn hierhergekommen, nun sein Sie so gut und
lassen Sie uns wieder hinaus," sagte ich.
Aber Printz Albert sagte: „Nein, das lasse ich mir nicht
nehmen, meine Landleute wenigstens zu drakthüren" — worauf
er uns an eine Tafel bracht«, wo man uns ein Dünneh sehr-
vierte. Nun was half es, wir ließen uns nicht nöthigen und
Printz Albert fragte auch nach unsre Familigen, also nach Euch,
liebe Anverwandten u. s. w. Ich bat ihn auch, wenn er ein-
mal nach Pirna käme, uns auf ein Gläschen Meisner Land-
wein zu besuchen, er schien schon unfern Meisner zu kennen,
denn er zog ein ganz saures Gesichte.
Ja, so etwas geschieht nicht alle Tage, daß man aus den
Hofball eingeführt wird und auf was für Einen! Ich bin
einmal in Dresden mit dem Schneider Opitz auf den Hofball
gewesen, das heißt auf die Trübiene, heißt das, wo uns immer
die Heuduken und Hoflakeus und andres Hofgesindel schubsten
und anrehsonirten; aber so nowel ging es dort auch nicht zu,
wie hier in London und wir mitten in dieses Freidengedüm-
meln drinne. Lehmann wurde auch immer viehdöler, weil ihn
der Wein zu Kobfe stieg und er sagte mir heimlich, daß er
Lust hätte, die Madam Königin auf einen Hobscr zu anka-
schüren. Ich aber sagte ihn: „Lehmann nimm Dich in Acht,"
sagte ich, „denn wenn wir uns gemischt betragen, so schmeisen
sie uns hinaus," sagte ich. Erst sehr spete trennten wir uns
mit vielen Kratzfüßen und Bedanksagungen von der englischen
Monargüh aber draußen wartete Christopf mit Schmerzlichkeit
auf uns und hatte viel Angst ausgestanden; er war aber froh,
wie er hörte, daß die englische Regierung unser Misverstendnis
so gnädig ausgenommen hatte. Er brachte uns dann noch in
unser Loschü, wo wir von unfern Abendeiern ausschliefen wie
Blumbsäcke, liebe Anverwandten u. s. w.
Heute früh ließ es mir keine Ruhe nicht mehr und ich
mußte gleich diese Merkwirdigkeiten an Euch schreiben, warum
ich auch hiermit schlüsse und von der Ausstellung und das
Uebrige das nächste Mal berüchtigen will.
Haltet die Hausthiere Abends zu und und sagt den Fetter
Hans, er soll meinen Jungen alle Tage zähne aufzählen, damit
der Junge nicht aus der Gewöhnlichkeit kommt, und damit er
auch in der Ferne an seinen geliebten Vater denkt, und dieser
an ihn, denn der ist eine wilde Kanalje ich bin aber
Euer
geübter Fetter. Onkel, Vater, Sohn, Tante,
Anverwandter u. s. w.
Criliopf keberecht Gitttikli Gras,
Binsel unv Birftenmacher aus Pirna.
Der wohlangesehenen Bü
vergnigt Landsleitc zu sehn, und sagte uns daß heute Abend
bei der Vikthorijan Hofball wäre, wo er uns wollte zum Zu-
sehn auf die Gallerüh bringen. Er ging also mit uns in unser
; Losch», wo wir unsre schwarzen Sonntagsfräcke anzogen und
dann in einem Omnipost bis an das Schlos fuhren, was hier
Ballast Heist. Aber diese Pracht und diesen Luchsus kann sich
gar Niemand nicht einbilden, alles von Gold und Silber.
Christopf nahm uns eine Treppe mit hinauf und sagte, daß
wir hier warten sollten bis er wieder käme, wo er uns dann
auf die Gallerüh führen wollte. Wir warteten eine Viertel-
stunde, noch eine und noch eine, aber Christopf kam nicht
wieder und da wir in einem Nebenzimmer eine Thüre offen
sahen, so gingen wir dreuste darauf zu. Aber kaum hatten wir
den Kobf hineingesteckt, so kam ein feiner Herr auf uns los,
machte ein tiefes Komblümang und winkte uns mitzukommen,
worauf er uns an eine große Thüre brachte. Lehmann fing
* schon wieder an zu zittern, aber ich sagte: „Nur Kuhrasche,
1 Lehmann, es thut uns Niemand nichts nicht man muß in der
! Welt etwas brohbüren." An der ander Thür stand wieder ein
Herr, der wieder einen Bickling machte und mich fragte: Pleasp,
Sir, your name? Da ich heute schon mehrere Male so gefragt
worden war, so wüste ich gleich, daß er meinen Namen wissen
, wollte und antwortete also: Alster Graf aus Pirna (das ist
j nemlich englisch und heißt: Herr Graf Wohlgeboren aus
Pirna!). Nun machte der Herr die Thüre weit auf, schrie
- meinen Namen laut in den Saal und schob uns dann beide
selbst hinein. Aber wie sehr erschracken wir, liebe Anverwand-
j ten u. s. w., als wir mitten in' den Hofball hineinkamen und
an den andern Ende die Königin mit Ihren Herrn Gemal
sitzen sahen. Wir wollten wieder umkehren, aber es ging schon
nicht mehr, denn wir musten an eine lange Reihe hinten an-
, treten, was wir dachten, die Bolenäse sollte angehn. Wir
merkten jedoch bald, daß Jeder mußte der Königin vorgestellt
j werden, was man brösentiren nennt. Jetzt fing ich auch an
' zu zittern, aber Lehmann zitterte noch viel mehr. Wir rickten
immer näher und jetzt standen wir auch am Trohne, da faßte
ich mir aber Muthigkeit, fiel auf ein Kniee und sagte:
„Eure Magehsteht werden recht sehr entschuldigen aber Ihr Herr
Lakeu. der Christopf — " wie ich aber weiter reden wollte fing Printz
Albert firchterlich an zu lachen und Madam Vikthorijan sagte:
ger Lehmann und Graf rc.
„Ah so. Sie sind Deutsche?"
„Nein, entschuldigen Sie." sagte ich, „wir sind aus Pirna
bei Dresden," sagte ich.
Da lachten sie wieder, ich weis aber nicht warum, aber da
ich sah, daß die Königin auch deutsch sprechen konnte, so sagte
ich: „Eure durchleuchtigste Magehsteht," sagte ich, „wir sind
nur aus Versehn hierhergekommen, nun sein Sie so gut und
lassen Sie uns wieder hinaus," sagte ich.
Aber Printz Albert sagte: „Nein, das lasse ich mir nicht
nehmen, meine Landleute wenigstens zu drakthüren" — worauf
er uns an eine Tafel bracht«, wo man uns ein Dünneh sehr-
vierte. Nun was half es, wir ließen uns nicht nöthigen und
Printz Albert fragte auch nach unsre Familigen, also nach Euch,
liebe Anverwandten u. s. w. Ich bat ihn auch, wenn er ein-
mal nach Pirna käme, uns auf ein Gläschen Meisner Land-
wein zu besuchen, er schien schon unfern Meisner zu kennen,
denn er zog ein ganz saures Gesichte.
Ja, so etwas geschieht nicht alle Tage, daß man aus den
Hofball eingeführt wird und auf was für Einen! Ich bin
einmal in Dresden mit dem Schneider Opitz auf den Hofball
gewesen, das heißt auf die Trübiene, heißt das, wo uns immer
die Heuduken und Hoflakeus und andres Hofgesindel schubsten
und anrehsonirten; aber so nowel ging es dort auch nicht zu,
wie hier in London und wir mitten in dieses Freidengedüm-
meln drinne. Lehmann wurde auch immer viehdöler, weil ihn
der Wein zu Kobfe stieg und er sagte mir heimlich, daß er
Lust hätte, die Madam Königin auf einen Hobscr zu anka-
schüren. Ich aber sagte ihn: „Lehmann nimm Dich in Acht,"
sagte ich, „denn wenn wir uns gemischt betragen, so schmeisen
sie uns hinaus," sagte ich. Erst sehr spete trennten wir uns
mit vielen Kratzfüßen und Bedanksagungen von der englischen
Monargüh aber draußen wartete Christopf mit Schmerzlichkeit
auf uns und hatte viel Angst ausgestanden; er war aber froh,
wie er hörte, daß die englische Regierung unser Misverstendnis
so gnädig ausgenommen hatte. Er brachte uns dann noch in
unser Loschü, wo wir von unfern Abendeiern ausschliefen wie
Blumbsäcke, liebe Anverwandten u. s. w.
Heute früh ließ es mir keine Ruhe nicht mehr und ich
mußte gleich diese Merkwirdigkeiten an Euch schreiben, warum
ich auch hiermit schlüsse und von der Ausstellung und das
Uebrige das nächste Mal berüchtigen will.
Haltet die Hausthiere Abends zu und und sagt den Fetter
Hans, er soll meinen Jungen alle Tage zähne aufzählen, damit
der Junge nicht aus der Gewöhnlichkeit kommt, und damit er
auch in der Ferne an seinen geliebten Vater denkt, und dieser
an ihn, denn der ist eine wilde Kanalje ich bin aber
Euer
geübter Fetter. Onkel, Vater, Sohn, Tante,
Anverwandter u. s. w.
Criliopf keberecht Gitttikli Gras,
Binsel unv Birftenmacher aus Pirna.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der wohlangesehene Bürger Lehmann und Graf aus Berne bei Dresden, Reise nach London"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 304, S. 127
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg